Veröffentlicht: 29.10.2022. Rubrik: Persönliches
Unser Urlaub auf Mallorca: Pferdeabenteuer und mehr!
Am 2.01.2022 veröffentlichte ich die Geschichte „Wände haben Ohren”. Der erste Satz lautete:
Im Jahre 1970 verbrachten der Mann, mit dem ich noch heute verheiratet bin, und ich unseren ersten gemeinsamen Urlaub auf Mallorca.
Genauso beginnt auch die heutige Geschichte, denn es war der gleiche Urlaub.
Also:
Im Jahre 1970 verbrachten der Mann, mit dem ich noch heute verheiratet bin, und ich unseren ersten gemeinsamen Urlaub auf Mallorca. Wir waren 21 Jahre jung und freuten uns, dass wir uns diesen Urlaub - ein besonders preiswertes Angebot eines Flugreiseveranstalters, den es schon sehr lange nicht mehr gibt - finanziell leisten konnten. Auch meine Freundin Waltraut war begeistert, als ich ihr von unserem Schnäppchen erzählte, sie schloss sich uns an und buchte ein Einzelzimmer. Winfried, ein Freund meines Mannes, wollte sich dieses einmalige Angebot auch nicht entgehen lassen. Er buchte ein weiteres Einzelzimmer für sich. Waltraut und Winfried kannten sich zwar, da sie beide unserer damals jugendlichen Klicke angehörten, aber sie waren kein Paar.
Voller Freude darüber, den Alltagszwängen entronnen zu sein und unseren Urlaub auf dieser Trauminsel verbringen zu können, machten wir übermütig jeden Blödsinn mit: Busausflüge in eine Lederfabrik und in eine Likörfabrik, wo wir den diversen Verkaufsveranstaltungen nicht entrinnen, im Fall der Likörfabrik auch nicht unbedingt den Probiergläschen widerstehen konnten.
Auf der Rückfahrt im Bus war’s mir so schlecht, dass ich zukünftig vorsichtiger mit Alkohol umging, denn ich war ihn ja nicht gewohnt.
Inzwischen hatten wir entdeckt, dass der Sekt in den Läden wahnsinnig billig war im Vergleich zu den Preisen in Deutschland. Wir kauften ein paar Flaschen, doch niemand gab sich dem Genuss so ausgiebig hin wie Winfried. Anschließend knallte er sich auf der Terrasse des Hotels in einen Liegestuhl und schlief seinen Rausch aus. Damals war es nach landläufiger Meinung kein erfolgreicher Urlaub, wenn man nicht möglichst braun gebrannt nach Hause kam. Trotzdem gingen wir anderen etwas vorsichtiger mit der heißen Sonne Mallorcas um und zogen uns in unsere Zimmer zurück. Aber ausgerechnet der hellhäutige und sommersprossige Winfried ließ sich auf der Hotelterrasse das Fell verbrennen.
Wir erschraken, als wir nach unserer Ruhepause zurück auf die Terrasse kamen und Winfrieds Sonnenbrand sahen. Er selbst schaute etwas verwundert und verwirrt seine rote Haut an, so als könne er es nicht glauben. Touristen, die aus den Fenstern des Hotels schauten, gaben uns kluge Ratschläge:
„Legt ihm Gurkenscheiben auf, das kühlt!“ Oder auch: „Reibt ihn mit Olivenöl ein, das hilft!“ Das hatten sie auch dem leidenden Winfried geraten, aber der war erstens völlig perplex und zweitens nicht gelenkig genug, um seinen Rücken selber mit Gurkenscheiben zu belegen, abgesehen davon, dass ihm gerade keine Gurke zur Verfügung stand.
Wir taten alles, was Winfrieds Qualen erträglicher zu machen schien. Ich opferte meine teure Feuchtigkeitscreme „AfterSun“ , die die gereizte Haut etwas beruhigen sollte. In den nächsten Tagen sah er aus wie eine sich häutende Schlange, trotzdem machte er weiterhin alles mit, z.B. als im Hotel das schönste Männerbein zur Wahl stand.
Anstatt mit Leihfahrrädern das zum Teil bergige Gelände der Insel zu erkunden, liehen wir Mopeds aus, mit denen wir nach einer kleinen Eingewöhnungsphase ganz gut zurechtkamen. Und weil es so gut klappte, kam Winfried auf die Idee, dass wir uns ein Reitpferd ausleihen könnten.
Ich wollte das nicht, ich war in der Großstadt aufgewachsen und hatte mit diesen Tieren noch nie etwas zu tun gehabt, außer, dass bis in die 60er Jahre ein Gemüse- und Kartoffelhändler mit einem Pferdewagen durch die Straßen zog, um seine Waren anzubieten. Gezogen wurde der Karren von einem Respekt einflößenden Ackergaul, dem ich am liebsten aus dem Weg ging, wenn meine Mutter oder auch Nachbarinnen mich dorthin schickten, um Gemüse einzukaufen.
Und nun sollte ich auf einem Pferd reiten? Niemals, teilte ich den anderen mit, aber die waren bereits Feuer und Flamme für diese Idee. Sie versuchten mich zu überreden, diesen Spaß mitzumachen, doch ich weigerte mich. Ich bot ihnen an, auf sie zu warten, bis sie von ihrem Reitausflug zurückkehrten, doch sie meinten, wenn nicht alle mitmachten, sei der Spaß nur halb so groß. Außerdem wollten sie mich nicht so lange allein lassen.
Ich ließ mich erst erweichen, als mein zukünftiger Mann auf die Idee kam, für mich nach einem etwas ruhigeren Pferd zu fragen. Das tat er dann auch und bat den Pferdeverleiher in fast perfektem Spanisch um ein Pferd „nix temperamento“ für mich. Die anderen Drei hatten zwar auch keine Reiterfahrung, waren aber offenbar nicht so ängstlich wie ich.
Mir war es ganz schön mulmig zumute, als der Stallbesitzer mich auf das Pferd hievte und mir in gebrochenem Deutsch erklärte, wie ich das Pferd in welche Richtung lenken konnte. Die anderen hörten ebenfalls zu, dann konnte das Abenteuer Reitausflug beginnen. Außer uns waren noch zwei junge Männer aus Rendsburg dabei, die - wie wir - sich ebenfalls ein Pferd ausgeliehen hatten. Der Ausflug war von allen für eine Stunde gebucht worden.
Ich war zunächst sehr froh, dass ich tatsächlich ein sehr ruhiges Pferd erwischt hatte. Doch dann stoppte das Tier und begann in aller Seelenruhe, am Wegesrand Gräser und Unkraut zu fressen. Ich konnte es absolut nicht dazu bewegen, hinter den anderen Pferden herzutrotten. Als einer aus unserer Gruppe sich nach mir umdrehte und sah, was los war, kehrten alle um und versuchten mir zu helfen. Sie redeten dem Tier gut zu, doch Mister Nix Temperamento ließ sich beim Fressen nicht stören.
Einer der Rendsburger Jungs hielt ihm Würfelzucker hin, was er offenbar noch leckerer fand als das Grün am Wegesrand. So bewegte er sich endlich vorwärts, aber nur so lange, wie ihn der junge Mann mit Würfelzucker lockte. Als ich meinte, Nix Temperamento habe es begriffen und würde sich auch ohne dieses Lockmittel vorwärts bewegen, sagte ich den anderen, dass sie nun in ihrem Tempo weiterreiten sollten, denn ich wollte ihnen nicht die Freude am Reiten vermiesen. Waltraut und die beiden Rendsburger ließen sich das nicht zweimal sagen und feuerten ihre Pferde entsprechend an. Ich vermutete, wenn ich Waltrauts Blicke richtig deutete, dass sie lieber mit Sugar-Boy allein losgezogen wäre.
Winfried und mein Mann blieben bei mir, doch als es keinen Zucker mehr gab, besann sich Nix Temperamento wieder auf das frische Grün am Wegesrand. Die beiden Jungs stiegen von ihren Pferden, suchten ein Stöckchen und versuchten, mein Pferd durch leichte Schläge aufs Hinterteil in Bewegung zu setzen. Es klappte, aber nach gefühlt drei Schritten streikte das Pferd wieder. Andere Touristen, die zu Fuß unterwegs waren, hoben ebenfalls Stöckchen auf und trieben damit den lahmen Gaul an. Inzwischen saßen Winfried und mein Mann wieder auf ihren Pferden und preschten etwas vor, um Nix Temperamento - von den Touristen getrieben – in Empfang zu nehmen und ihn ihrerseits zu treiben, damit er weder Zeit noch Gelegenheit habe, sich das saftige Grünzeug einzuverleiben.
Wenn es nach mir ging, wäre ich gern vom Pferd gestiegen. Ich schaute heimlich auf die Uhr. Es waren 20 Minuten vergangen, wir hatten aber insgesamt eine Stunde Zeit für diesen Ritt mit Hindernissen.
Dann geschah etwas, womit wir alle nicht gerechnet hatten. Nix Temperamento hatte wohl seinen Stall geschnuppert, setzte sich urplötzlich in Bewegung und galoppierte mit mir los. Ich konnte mich gerade noch am Zaumzeug festhalten, aber ich hatte keinen Einfluss auf die Geschwindigkeit und auch nicht auf die Richtung. Temperamento hatte sein Nix verloren, die Menschen, die er überholte, stoben auseinander, als er vorbeigaloppierte. Und ich hatte zu tun, um mich festzuhalten und nicht vom Pferd zu fallen. Ich war erleichtert, als er endlich seinen Heimatstall erreicht hatte. Der erstaunte Besitzer zeigte auf die Uhr, ich dürfe noch eine halbe Stunde reiten. Aber das lehnte ich ab und stieg mit seiner Hilfe vom Pferd.
Ich setzte mich in angemessenem Abstand von den Pferden auf einen Stuhl und wartete auf die Rückkehr der anderen.
Die trudelten so nach und nach ein, zuerst mein Mann, dann Winfried. Die beiden hatten sich Sorgen gemacht, wohin Temperamento mit mir gestürmt sein könnte und ob ich mich auf dem Pferd hatte halten können. Sie waren erleichtert, dass ich nicht verletzt in irgendwelchen Büschen lag. Als Waltraut mit den beiden Rendsburgern zurückkehrte, glänzten ihre Augen und sie lächelte Sugar Boy glücklich an. Sie waren sich nähergekommen trotz ihres Begleiters, der aber von nun an mehr mit uns unterwegs war als mit seinem Kumpel aus Rendsburg.
Auch die spanischen Kellner in unserem Hotel hatten mitgekriegt, dass Waltraut ständig mit ihrer neuen Urlaubsbekanntschaft zusammen war. Sie schienen Winfried und sie für ein Paar gehalten zu haben. Denn manche stellten etwas schadenfroh in Winfrieds Richtung fest:
„Große Liebe kaputt!“