Veröffentlicht: 14.01.2025. Rubrik: Fantastisches
Materie 5.2 -Fotoshooting-
„Hallo ihr beiden Hübschen, was darf es sein?“
„Hallo Alina, nochmal vielen Dank für den tollen Picknickkorb. Es war ein wunderschöner Tag!“
Obwohl ich Alina anlächle, bekomme ich mit, wie Adrian das zweite Mal seit ich ihn kenne, rot wird und verlegen die Karte studiert.
„Gerne doch, wenn ihr das mal wiederholen wollt?“
„Mal sehen, was meinst du Adrian?“
„Ähm ja, bestimmt. Demnächst mal.“
Adrian ist immer noch in der Karte vergraben.
„Für mich bitte einen Jasmintee.“
„Ich nehme einen Café Créme.“
Als Alina geht, um die Bestellung weiterzugeben, schweigen wir eine Zeitlang.
„Möchtest du von dem heutigen Highlight hören?“
„Gibt es etwas das die Begegnung mit Tina und Jochen noch toppen kann?“
„Du weißt es also noch nicht? Schaust du eigentlich nie auf dein Handy?“
„Doch sicher, es könnte ja einer angerufen haben.“
„Oder du könntest eine Nachricht bekommen haben.“
„Höchstens eine SMS. Ich besitze kein Smartphone.“
„Nicht dein ernst, oder? Bist du nie im Internet unterwegs, Social Media oder irgendetwas googeln? Nichts?“
„Doch schon, entweder am PC oder am Pad. Aber nicht am Handy.“
„Okay, ich frage nicht weiter, nicht heute!“
„Ist in Ordnung.“
„Rate mal, wer heute das Tagesgespräch aller Schüler an der Schule war?“
„Ich ahne es, aber bitte erzähle von Anfang an.“
„Didi hat unsere Bilder von heute morgen geteilt. Als ich Wind davon bekam, waren schon mehr als 500 Besucher in ihrem Account. Man sollte glauben die Leute hätten besseres zu tun.“
„Und du wunderst dich, warum ich kein Smartphone habe? Warum interessieren sich so viele für unsere Bilder?“
„Die Bilder sind nicht das Problem. Die Kommentare gleichen einem shit - storm. Selten habe ich Gehässigeres gelesen. Was haben wir den Leuten getan?“
„Oh, ich verstehe. Neid also.“
Alina kommt mit unserer Bestellung und stellt sie vor uns ab. Ich warte bis sie sich umdreht und schaue zu Adrian, schüttle leicht den Kopf.
„Schlimmer, es ist Missgunst und ich fürchte du bist das Opfer.“
Adrian legt den Kopf schräg und hebt eine Augenbraue.
„Ja Missgunst. Es ist nicht so, als gönnen Sie dir deinen Erfolg nicht, nein sie glauben du verdienst ihn nicht. Das ist weitaus gefährlicher, erinnere dich an Jochen.“
Eine Zeit lang sieht mich Adrian nur an, dann lächelt er.
„Du meinst bestimmt meinen letzten Erfolg. So wie ich das sehe, ist es das Risiko sicherlich wert.“
Auch ich muss nun lächeln, weiß ich doch, das er auf unsere Beziehung anspielt.
„Was ich damit sagen will, bitte sei vorsichtig.“
„Das hatte ich dir doch schon versprochen Jules.“
„Tobi hatte zu allem Überfluss auch in Didis Account geschaut, bevor wir die Bilder wieder offline gestellt hatten. Er weiß also auch von uns.“
„Schlimm?“
„Nein, ganz im Gegenteil. Wir verstehen uns gut und er sorgt sich bloß um mich. Tobi ist der Letzte, der uns etwas Schlechtes wünscht. Oh, da fällt mir ein, er wollte mir die Bilder aus der Zeitung zuschicken. Warte ich schau kurz.“
Als ich das Handy nach Neuigkeiten durchforsche, fällt mir ein, dass Adrian das überhaupt nicht mag. Schnell suche ich Tobis neue Nachricht. Als ich die Bilder von dem zerstörten Bahnhof sehe, bekomme ich eine Gänsehaut. Ich muss Schlucken, als ich das Handy zu ihm schiebe. Auch Adrian ist überrascht, von dem was er sieht.
„Was sagte dein Bruder nochmal, was passiert ist? Für mich sieht das nach einer Explosion aus! War das ein Attentat oder ein Unfall?“
„Soweit ich mich erinnere, soll der Zug entgleist sein.“
„Wie schnell war der denn? Ich meine, schau dir diese Verwüstungen an. Kaum zu glauben, dass das eine Entgleisung sein soll. Mich würde interessieren ob der Bahnhof eine Haltestelle des Zuges war.“
„Wenn ich das nächste mal mit Tobi spreche, frage ich ihn.“
„Jules?“
„Hm?“
„Möchtest du mich heute nach Hause begleiten?“
Mit meiner Tasse Tee in der Hand, verharre ich in der Bewegung, suche seinen Augenkontakt. Mit keiner Gestik oder Mimik verrät er seine Beweggründe. Während ich befürchte, dass ich ein nur allzu offener Spiegel meiner Gefühle, Hoffnungen und Wünsche bin. Die unterbrochene Bewegung fortführend, hebe ich die Tasse doch an meinen Mund und nehme einen Schluck des Tees, um meinen trockenen Hals zu befeuchten.
„Heute?“
Er nickt.
„Heute!“
„Sicher, warum nicht?“
„Der Wunsch meiner Mutter ist es, dass wir heute Abend gemeinsam Essen. Sie ist sehr gespannt auf dich, und würde sich freuen wenn du zustimmst.“
Erneut nehme ich einen tiefen Schluck aus der Tasse, um meine Überraschung und mein Unbehagen zu verbergen, sowie um etwas Zeit zu gewinnen, damit ich mich wieder in den Griff bekomme.
„Deine Mutter?“
Erneut nickt er.
„Meine Mutter.“
„Woher…?“
„Alina.“
„Oh.“
Er greift über den Tisch meine linke Hand.
„Jules glaub mir, sie wird mehr als nur glücklich sein, dich kennenzulernen.“
Die Wärme und Selbstsicherheit seines Lächelns, helfen mir. Trotzdem fürchte ich, dass mein Lächeln die Unsicherheit widerspiegelt, die mich beherrscht.
Fortsetzung folgt...