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1xhab ich gern gelesen
geschrieben 2025 von Dan Prescot (Dan Prescot).
Veröffentlicht: 10.01.2025. Rubrik: Fantastisches


Materie 4.1 -déjà vu-

„Weißt du überhaupt was CO2 mit dem Klimawandel zu tun hat? Du hast doch keine Ahnung!“
„Eigentlich schon, ich glaube sogar, dass ich das besser beurteilen kann wie du.“
„Ach ja? Erklär mir dann doch mal, weshalb du glaubst das das, was wir hier tun nichts bringt?“
„Okay, der Stickstoffanteil in der Atmosphäre beträgt 78%, der Sauerstoffanteil 21%. Die verbleibenden 1% verteilen sich auf verschiedene Gase, vorwiegend Edelgase. 0,04% davon beträgt der Anteil an CO2. Von diesem 0,04% sind 96% naturgegeben und vom Menschen kaum zu beeinflussen. Für die restlichen 4 Prozent ist der Mensch verantwortlich. Was denkst du, wie groß der Anteil ist, den du beeinflusst, hier in Deutschland?“
„Äh…“
„Welches sind doch gleich deine Argumente?“
„Du redest das alles hier schlecht!"
„Nein, tue ich nicht. Auch ich denke wir müssen handeln, aber ich halte das einfach nicht für den richtigen Weg. Außerdem habe ich dabei das Gefühl benutzt zu werden.“
Die beiden Kontrahenten, Adrian und Sebastian, starren sich gespannt an. Die anderen aus der Gruppe sind durch die hitzige Diskussion aufmerksam geworden. Einige legen ihre Schilder und Transparente beiseite und nähern sich den Beiden.
„He Adrian, ich habe dich gesucht. Wir wollten uns doch treffen, schon vergessen?“
Indem ich mich zwischen die Beiden dränge, versuche ich die Situation zu entschärfen. Als ich mich bei Adrian unterharke und ihn von der stetig wachsenden Gruppe wegziehen will, versperrt uns Jochen´s Schatten Kai den Weg.
„Sorry, so einfach ist das nicht, wir sind hier noch nicht fertig.“
Bevor Adrian etwas erwidern kann, komme ich ihm zuvor:
„Aber nicht heute, er ist verabredet.“
Wir schlängeln uns an ihn vorbei und während er noch perplex hinter uns herschaut, biegen wir um die Ecke des Schulgebäudes.
„Himmel, mit denen ist nicht gut Kirschen essen! Vielleicht solltest du sie nicht unbedingt versuchen zu belehren?“
„Das hatte ich auch nicht vor. Aber einiges von dem, was er behauptet, ist nicht richtig.“
„Mag sein, willst du deswegen einen Streit provozieren?“
Adrian bleibt stehen, fasst mit beiden Händen an meine Schultern und sieht mir ins Gesicht, sucht meinen Blick.
„Juliana, ist das deine Meinung?“
Verwirrt schaue ich in sein Gesicht. Da ist wieder dieser konzentrierte Ausdruck, mit dem er mich in seinem Bann zieht.
„Wenn dem niemand widerspricht, werden sie glauben alles ist richtig, was sie behaupten.“
Er sucht in meinem Gesicht nach Verständnis. Warum werde ich unsicher, wenn er mich so anschaut?
„Und wenn schon, es ist einfach keine Provokation wert.“
Ich zucke mit den Achseln, soweit es mir möglich ist. Sein Griff an meinen Schultern wird bestimmter und ich sehe, wie er die Lippen aufeinander presst.
„Wie kann ich dir das erklären?
Es ist eine Art von Manipulation. Wenn ich dir sage, von jetzt an sollst du meine Tasche in die Schule tragen und du widersprichst nicht, gehe ich davon aus das du es auch machst. Sollte ich morgen ohne Unterlagen in der Schule auftauchen und die Lehrer eine Erklärung für mein Verhalten verlangen, könnte ich die Schuld für mein Verhalten dir zuschieben. Verstehst du? Jeder der zuhörte, als ich das von dir verlangt habe, wird das bestätigen.“
Sein Blick haftet fest an meinen Augen.
„Die Verantwortung für mein Verhalten, trägst auf einmal Du!“
„Du übertreibst!“
„Wirklich? Schau dich um, dies Prinzip wird überall angewendet. Das nennt man konkludentes Handeln. Niemand denkt mehr darüber nach. Probiere es selbst einmal, bewusst.
Ich winde mich aus seinem Griff, greife nach seiner rechten Hand.
„Komm schon, die Pause ist gleich vorbei und deswegen bin ich nicht zu dir gekommen.“
Sein Gesicht verliert etwas von der angespannten Konzentration, wird weicher.
„Du hast recht, verderben wir nicht den Augenblick. Dafür ist er zu wertvoll.“
Wir schlendern langsam dahin.
„Ich wollte dich schon zweimal fragen, warum du so in Eile warst, als wir uns das erste Mal begegneten.“
„Hm…“
„Hey Jules! Was habt ihr schon wieder angestellt?“
Tina hat uns aufgespürt und scheinbar ihre Verabredung mit Jochen nur wegen uns verschoben.
„Die Hälfte des Schulhofs scheint nach euch zu suchen und ich habe nicht das Gefühl, aus Freundlichkeit.“
„Hi Tina, ja die scheinen nicht gerade begeistert davon zu sein, wenn man eine andere Meinung hat. Was meinst du Adrian, überstehen wir den Tag oder erwischt uns die Meute?“
Adrian schaut von Tina zu mir. Für einen Augenblick kräuselt sich seine Stirn.
„Juliana, also ich hätte jetzt Lust auf ein Erdbeereis, du nicht auch?“
Sofort kommt mir der gestrige Tag in den Sinn, ich kann nicht anders und lächle. Meine Gefühle fahren Achterbahn.
„Da kenne ich eine nette Trinkhalle, komm lass uns gehen.“
Mein Herz pocht wie wild. Eigentlich schwänze ich keinen Unterricht aber mit dem Gedanken an Gestern hoffe ich, da anknüpfen.
„Tina, bring meine Sachen mit, wir sehen uns nachher.“
Seine Hand greifend, renne ich los. Tina schüttelt den Kopf und schaut uns nach.
Als wir aus der Sichtweite der Schule sind, werde ich langsamer und gehe im Schritttempo weiter. Seine Hand halte ich nach wie vor.
„Das tut mir leid, dich da reingezogen zu haben. Eigentlich mische ich mich nicht in die Angelegenheiten Fremder, egal welche Konsequenz das für sie hat.“
„Was meinst du? Sie treten doch für eine gute Sache ein, oder glaubst du nicht?“
„Sicherlich. Ihr Engagement ist ohne Frage gut gemeint.“
„Was also, stört dich?“
„Hatte ich schon gesagt, vorhin. Wir sind da, Erdbeere?“
„Adrian, komm schon! Was meinst du damit?“
Er dreht mich erneut zu sich. Diesmal jedoch sehr sanft, bedacht. Seine rechte Hand fährt an meine Stirn und streift leicht eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.
„Juliana lass uns erst das Eis genießen, bevor wir weiterreden.“
„Gut, aber irgendwie habe ich den Eindruck, du weichst mir aus. In einigen Dingen.“
„Also, Erdbeere?“
Ich lächle, nicke, ich kann nicht anders. Dann klingelt mein Handy. Wann bekomme ich schon mal einen Anruf? Warum ausgerechnet jetzt? Ich checke das Display, es ist Tobias.
„Sorry, das ist mein Bruder, er studiert in Hannover, gewöhnlich ruft er mich nicht um die Uhrzeit an. Ich frage kurz, was er hat, ok?“
„Sicher…“
Es passt ihm nicht, das weiß ich, aber mein Gefühl sagt mir das etwas nicht stimmt und es ist mein großer Bruder. Wenn Edith nervt, war Tobias immer mein großer Bruder. Er stellte sich immer vor uns Mädchen, wenn es Ärger gab. Tobias ist der verlässliche, der ruhende Pol in unserer Familie.
„Hi Tobias, was gibt´s?“
„Hi Jules. Geht´s euch gut? Dir und Didi?“
„Sicher? Du machst mir Angst. Warum soll es uns nicht gut gehen?“
„Sorry Jules, ich bin etwas von der Rolle. Einige Kilometer von hier hat es ein Zugunglück gegeben. Eine Kommilitonin war in dem Zug. Ich dachte echt sie wäre umgekommen.“
„Tobi, das ist schrecklich!“
„Ja, aber es ist ihr nichts passiert. Aber einige Andere hatte nicht so viel Glück. Sie hat den Zug wohl vorher verlassen. Es ist verrückt, aber sie hatte jemanden kennengelernt und ist eine Station vor dem Unglück ausgestiegen.“
„Tobi, geht es dir denn gut?“
„Sicher, ich war ja nicht in dem Zug…“
„Tobi, geht es dir gut?“
„Jules, ich… ich…“
„Tobi, hör mir zu: Geh zu Frank, sag ihm ich hätte dich geschickt. Sag ihm, er hätte was gut bei mir, er soll heute mit dir um die Häuser ziehen, aber bleibt zusammen. Hörst Du? Geh zu Frank!“
„Okay, du hast recht. Besser ich gehe zu Frank, für diesen Abend. Ich melde mich morgen wieder. Es tat gut deine Stimme zu hören, Jules.“
„Ruf mich an, wann immer dir danach ist, okay? Versprich es mir.“
„Mach ich, versprochen. Grüß Didi und erzähl Mom und Dad nichts. Bis Morgen.“
„Bis Morgen Tobi.“
Selbst als ich den Anruf beendet habe, schaue ich noch eine Zeitlang auf das dunkle Display. Der Anruf von Tobias hat mich sehr beunruhigt, selten habe ich ihn so aufgewühlt erlebt.
„Schlechte Nachrichten?“
„Ja. Tobi berichtete von einem Zugunglück. Eine Kommilitonin war wohl in dem Zug.“
„Das sind keine guten Nachrichten.“
„Nein, ihr ist nichts passiert, das ist es nicht. Aber es scheint ihn ganz schön mitgenommen zu haben. Weißt du, er ist mein großer Bruder und wir verstehen uns echt gut. Aber so habe ich ihn noch nicht erlebt.“
„Ich verstehe.“
Er schaut kurz zu Boden, als überlegt er, was er tun soll.
„Möchtest Du zurück zur Schule, oder nach Hause?“
Entschlossen schüttele ich den Kopf.
„Nein, lass uns hierbleiben und das Eis genießen, sonst mache ich mir unnötig Sorgen.“
Mir kommt ein Gedanke, der mich elektrisiert.
„Weißt du Adrian, deine heutige Aufgabe ist es mich zu unterhalten und alle trübsinnigen Gedanken fernzuhalten. Was sagst Du? Bist du dazu in der Lage?“
Auf seiner Stirn bilden sich Falten. So durchdringend schaut er mich an, dass ich denke ich bin zu weit gegangen.
„Das ist mal eine Aufgabe, die es wirklich wert ist. Also gut, ich akzeptiere!“
Mein Puls rast, Wärme breitet sich in meinem Körper aus.
„Lass uns zum EMO gehen, das ist 100 Meter von hier und da können wir uns setzen. Aber vorher hole ich uns das Eis.“
Nachdem Adrian zurück ist, schlendern wir schweigend nebeneinander. (evtl. Hände haltend)
„Fangen wir mit einem Spiel an, Wahrheit oder Pflicht, was meinst Du?“
„Nur wenn ich anfangen darf!“
„Gut, Wahrheit.“
Einen Augenblick überlege ich.
„Warum weigerst du dich, Spitznamen zu benutzen?“
„Das ist einfach. Wer gab dir deinen?“
„Das weiß ich gar nicht mehr, aber ich glaube meine Eltern. Vermutlich meine Mutter.“
„Was denkst du warum sie das tat?“
„Ich weiß nicht, weil mein Name zu lang ist, um ihn zu rufen?“
„Andersrum, wann ruft sie dich bei deinem vollen Namen?“
Ich lache auf.
„Na, jedes Mal, wenn sie sauer ist!“
„Vielleicht. Allerdings glaube ich eher, dass sie dich bei deinem Namen ruft, wenn sie erwartet, dass du dich erwachsen verhältst. Also wenn du für dein Handeln die Konsequenz übernehmen sollst.“
Überrascht bleibe ich stehen und schaue zu ihm auf.
„So habe ich das noch nie gesehen.“
„Es gibt noch einen weiteren Grund einen Spitznamen zu verwenden. Es ist ein Zeichen hoher Vertrautheit, eine Art Verbundenheit untereinander.“
„So wie bei Didi und mir, oder Tina.“
„Vielleicht.“
Wieder habe ich das Gefühl er weicht mir aus, hält seine waren Gedanken zurück.
„Meine Runde, wähle.“
„Wahrheit.“
„Gut. Bist du mit deinem Leben zufrieden?“
„Wie meinst du das? Ob ich mehr daraus machen könnte?“
„Nein, ich meine gefällt dir dein Leben, so wie es ist?“
„Hm, bestimmt könnte das eine oder andere besser laufen, aber ja, es gefällt mir. Reicht dir das als Antwort?“
"Ja, das ist ok. Wahrheit."
„Hast Du Geschwister?“
„Nein, ich bin ein Einzelkind.“
„Wahrheit.“
„Kennst du das Höhlengleichnis von Platon?“
„Was? Nein kenne ich nicht. Sollte ich?“
„Vermutlich. Es sagt etwas über die Natur unserer Welt und ihre Wahrnehmung durch uns aus. In aller Kürze: Es geht darum das du dein ganzes Leben in einer Höhle lebst und die Welt nur durch Schatten an der Wand erleben würdest, da du dich nicht umdrehen kannst. Dadurch würdest du wahrscheinlich die Schatten an der Wand für die echten Lebewesen, bzw. die reale Welt halten.“
„Das ist ja wie in dem Film Matrix! Der Filmheld lebt sein Leben wie ein Traum, bis er geweckt wird.“
„Ja, so ähnlich. Die Botschaft ist denke ich dieselbe.“
„Was ist jetzt die Frage, ob ich Platon kenne oder die Geschichte?“
„Die Frage zielte auf die Geschichte ab. Wahrheit“
„OK, also lautet die Antwort nein. Hast Du schon immer in Essen gewohnt?“
„Sogar in demselben Haus, mein ganzes Leben.“
„Also nichts Besonderes?“
Er lächelt, schließt die Augen und schüttelt den Kopf
„Na na, halte dich an die Spielregeln. Eine Frage pro Runde.“
Auch ich muss lächeln.
„Wahrheit.“
„Angenommen du würdest wie in dem Film dein Leben träumen und es wäre ganz ok. Welchen Anlass bräuchtest du, um geweckt werden zu wollen?“
„Interessante Frage. Eigentlich will ich mein Leben nicht träumen, ich will es leben.“
„Auch wenn es schwierig wäre?“
Jetzt habe ich ihn! Ich lächle ihn an. Seine Stirn furcht sich, er sucht den Fehler.
„Wir sollten den Einsatz erhöhen. Der Nächste von uns beiden, der die Spielregeln verletzt, darf seinen Einsatz nicht selbst wählen.“
Er lächelt zurück. Ich werden mutiger.
„Einverstanden. Wahrheit.“
„Wie viele Beziehungen hattest du?“
Seine rechte Augenbraue hüpft leicht hoch.
„Wenn ich diese Beziehung mitzähle, Eine.“
Jetzt bin ich überrascht. Sicher, er ist ein Nerd und sicherlich schwierig, aber er ist zweifelsohne intelligent, sieht gut aus und ist körperlich fit, trainiert. Ich presse die Lippen zusammen, um nicht nachzufragen.
„Wahrheit.“
„Bist du impulsiv?“
„Ja, ich glaube schon.
„Wahrheit.“
„Woran lag es?“
„Was?“
„Komm schon! Das ich deine erste Beziehung bin, natürlich.“
„Ich bin…nicht einfach.“
„Ja ich weiß, aber das gleichst du locker aus. Was ist also der Grund? Ein dunkles Geheimnis?“
Er lacht auf.
„Beeindruckend, wirklich. Ein dunkles Geheimnis, treffender kann man es nicht beschreiben. Gibst du mir zur Beantwortung der Frage einen Zeitaufschub?“
Ich ziehe einen Schmollmund.
„Sinn des Spiels ist es, mehr über den anderen zu erfahren. Gerade wenn es interessant wird, kneifst du.“
„Nein, du erhältst bestimmt eine Antwort auf die Frage, nur habe ein wenig Geduld.“
„Was bietest du mir, für meine Geduld?“
„Was möchtest du?“
„Pflicht statt Wahrheit?“
Prüfend schaut er mir in die Augen, ich halte stand.
„Gut, einverstanden. Du geduldest dich so lange, bis ich dir die Antwort geben kann?“
„Okay. Allerdings gibt es noch eine weitere Bedingung. Bist du bereit sie zu erfüllen?“
„Welche?“
„Du musst es genau dann tun, wenn ich es von dir fordere!“
„Nur das wir uns verstehen, ich bin mir genau bewusst, was du von mir forderst.“
„Ich möchte einen Kuss von dir.“
„Das ist alles?“
Kopfschütteln.
„Nein. Erinnere dich der Bedingung. Und bitte tue es aus Überzeugung.“
„Versprochen.“

*

Fortsetzung folgt...

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