Veröffentlicht: 12.01.2025. Rubrik: Fantastisches
Materie 4.3 -déjà vu-
Adrian trägt den Picknickkorb und wir gehen von der Bushaltestelle in den Grugapark. Viel geredet haben wir den Weg über nicht. Das Gefühl klingt nach, aber wie bei ein Traum verliert sich die Wirkung mit der Zeit. Adrian bleibt stehen und schaut auf ein Stück Wiese.
„Was meinst du, ein guter Platz?“
„Ein guter Platz! Ich bin gespannt, was wir in dem Korb alles Schönes haben.“
Zusammen breiten wir die Decke auf der Wiese aus und platzieren die eingepackten Leckereien in die Mitte. In einiger Entfernung haben sich noch andere niedergelassen.
Alina hat es offensichtlich sehr gut mit uns gemeint und uns viel mehr eingepackt als wir jemals essen können. Die Speisen sind in vielen kleinen Behältern abgepackt und variieren von scharf, über süss, nach sauer. Abwechselnd probieren wir aus den verschiedenen Behältern. Alle schmecken anregend und aufgeregt fordern wir einander auf mal hiervon oder davon zu probieren. Am Ende füttern wir uns gegenseitig. Wir haben Spaß an dem Spiel und lachen wenn etwas im Gesicht des Andern landet. Irgendwann, lange bevor uns das Essen ausgeht, sind wir satt und räumen die Schalen, das Besteck und die Teller von der Decke zurück in den Korb. Den freigewordenen Platz nutzen wir ausgestreckt und zufrieden auf der Decke. Die spärlichen, weißen Wolken am Himmel laden zum träumen ein. Die angenehme Wärme des Tages tut ihr übriges.
Ich drehe mich zur Seite und rücke näher an Adrian heran. Dabei lege ich meine Kopf auf seinen rechten Arm und meine rechte Hand auf seinen Oberkörper. Trotz des warmen Sommertags, spüre ich seine Körperwärme in meiner Handfläche. Das Heben und Senken seines Brustkorbs hat etwas hypnotisches. Meine Gedanken treiben und ich schließe meine Augen, gebe mich ganz dem Augenblick hin. Der Rhythmus unserer Atmung und der Schlag unserer Herzen gleichen sich immer weiter an, ich kann es fühlen.
Irgendwann wendet sich Adrian mir zu. Die Finger seiner linken Hand gleiten sanft durch mein Haar, ganz leicht. Bei den Haarspitzen angelangt, spielen seine Finger eine Zeitlang mit ihnen. Der Duft von dunkler Schokolade steigt mir in die Nase, lässt mich wohlig tief, beinahe gierig die Luft einsaugen. Den moosigen Anteil vermisse ich und frage ich mich, was das wohl bedeuten mag.
Seine Finger lassen von meinen Haar ab und folgen der Kontur meines Gesichts vom rechten Ohr langsam zu meinem Kinn. Gleiten von der Kinnspitze zur Unterlippe, über meine Oberlippe, die unter der sanften Bewegung meinen Mund öffnet. Mit Mühe unterdrücke ich ein Keuchen und bevor ich mein Gefühlschaos ausdrücken kann, verschließt sein Mund die verräterische Pforte.
Diesmal ist es nicht das süße Eis, welches ich schmecke, sondern sein herberes Ich.
Ich greife mit meiner Hand in seinen Nacken und ziehe ihn fester an mich, hungere nach mehr Berührung.
Adrian hatte von den endlosen Möglichkeiten gesprochen und den einschränkenden Konsequenzen jeder einzelnen Handlung. Hier und jetzt, gibt es für mich nur eine einzige Möglichkeit.
Meine Hand löst sich aus seinem Nacken, wandert zurück an seinen Brustkorb, erfühlt sein Herzschlag. Ich weiß nicht, ob wir noch im Einklang sind, doch ich brauche Luft.
Als ich meine Augen öffne, sehe ich sein ernstes Gesicht im weichen Licht der Abendsonne.
„Adrian, was tust du?“
Mehr als ein Flüstern bringe ich nicht zustande, mir fehlt der Atem. Einerlei.
„Juliana, weißt du wie lange ich auf dich gewartet habe?“
„Ich bin hier.“
„Allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz bist du hier.“
Seine Finger nehmen das Spiel in meinen Haaren wieder auf.
„Alles was du bist, deine Anlagen, deine Kraft... erwacht gerade erst. Und doch schon jetzt mehr, als ich zu widerstehen vermag.“
„Musst du nicht.“
„Nein, muss ich nicht. Es ist so leicht sich zu verlieren, in dem Augenblick. Doch ich brauche dich, so sehr.“
Der Kloß in meinem Hals verhindert, dass ich ihm antworte. Was auch? Ich fühle nur Chaos, jedenfalls nicht diese absolute Gewissheit, die er mir vermittelt. Sie erschreckt mich, diese Endgültigkeit. Wir sind gerade einige Tage zusammen und Adrian spricht von... , ja von was? Liebe? Ich bin noch nicht über den Punkt der Verliebtheit hinaus, weiß nicht, wie das Morgen aussieht. Aber ich will mehr von ihm, will das Spiel fortsetzen. Ein Verlangen, dass sich über alle Bedenken hinwegsetzt, jegliche Konsequenz akzeptierend! Ein heißer Schauer überfällt mich, inmitten meinen eigenen Gedanken.
„Meine Worte müssen sich eigenartig für dich anhören. Ich bitte dich nur, vertraue mir.“
„Ich weiß nicht, was ich denken soll. Bei dir zu sein fühlt sich richtig, fühlt sich gut an. Aber die Dinge, die du mir sagst, verwirren mich. Und sie jagen mir einen Heidenschreck ein!“
„Juliana vertraue deinem Gefühl. Das was du brauchst, wird zu dir kommen, wenn du es brauchst.“
„Siehst du Adrian? Das meine ich, manchmal weiß ich einfach nicht, ob ich vor dir weglaufen soll, oder dir blind vertrauen soll! Es jagt mir einen Schauer über den Rücken, ich bin mir nur nicht sicher, ob aus Wohlbefinden oder Entsetzen!“
Seine Hand streicht von meinen Haaren, über die rechte Schulter, an meinem Oberarm entlang, zu meiner Taille. Meine Haut nimmt begierig die Empfindung auf, erwärmt sich. Die Wärme strahlt in meinen Bauch, in den Unterleib. Vergessen sind die Zweifel. Vorsichtig küsse ich seine Kinnspitze, die kleine Vertiefung zwischen Kinn und Unterlippe, die Lippen. Seine Hand sinkt von meiner Taille, den Rücken herab zur Wirbelsäule, folgt dieser, um mich mit sanften Druck an sich zu ziehen. Meine Hand legt sich wieder in seinen Nacken, um seine Aufforderung zu unterstützen, ganz wie mein Gefühl es von mir verlangt.
Etwas wird mir dabei bewusst, etwas Unerwartetes, Erstaunliches. Ich bin glücklich!
Fortsetzung folgt...