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4xhab ich gern gelesen
geschrieben 2025 von Jens (Jens Richter).
Veröffentlicht: 06.01.2025. Rubrik: Aktionen


Kurzschluss Januaraktion

Ich kann mich noch gut an meine Lehrausbildung zum Elektromonteur beim VEB Binnenhäfen Oberelbe im Dresdner Alberthafen erinnern.
Unter dem Motto Lehrjahre sind keine Herrenjahre wurden wir Frischlinge auch ausgebildet.
Das hieß übersetzt, der Lehrling machte alle möglichen Pampelarbeiten.
In meinem ersten Lehrjahr erhielt ich die handwerklichen Grundlagen von einem Trägerbetrieb.
Als Lehrling vom Hafen war das der VEB Energiekombinat Ost.
Im zweiten und letzten Lehrjahr bekam ich die berufliche Spezialisierung dann wieder im Hafen.
Hier musste auch das Thema für die Gesellenprüfung gefunden, ausgearbeitet, beschrieben und verteidigt werden.
Für den fachtheoretischen Teil gingen wir im Wochenwechsel in eine staatliche Berufsschule.
Zum kurzen Verständnis sei hier niedergeschrieben, dass die meisten Bauwerke im Alberthafen, samt ihrer Elektroanlagen noch aus der Neubauzeit in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts stammten.
So war auch das Verwaltungsgebäude auf einem vorsintflutlichen technischen Stand.
Ich hatte vom Meister den Auftrag erhalten, eine Gangbeleutung vor der Telefonzentrale zu installieren.
Diese Telefonzentrale war im Dachgeschoss untergebracht und das war bis dato noch unbeleuchtet.
Lediglich ein Lichtschein vom Treppenaufgang ließ den Verlauf des Dachgeschossganges erahnen.
Der Elektromeister zeigte mir die Stellen, wo ich Installationsrohre, Leuchten und den Schalter anbauen sollte.
Ich zeichnete alles an und setzte zur ersten Bohrung an, da wurde es schlagartig finster im gesamten Verwaltungsgebäude.
Aus dem Bohrloch funkelte es.
Der Bohrer war abgeschmolzen.
Ich hatte eine Hauptzuleitung des Verwaltungsgebäudes getroffen, das aus mit Jute isolierten Kupferleitern bestand, welche wiederum in einem bleiummantelten Papprohr verlegt waren.
Volltreffer!
Die Bohrstelle musste, nachdem eine Notbeleuchtung herangeschafft worden war und sämtliche Schraubautomaten ausgesichert waren, großflächig ausgespitzt werden.
Das freigelegte Bleimantelrohr wurde längs wie ein Fenster geöffnet, die angebohrten Adern mit Stoßstellenverbindern neu verbunden und mittels Schrumpfschlauch die Isolation wieder hergestellt.
Ihr könnt Euch vorstellen, dass bei einer derartigen Störung alle im Gebäude wie aufgescheucht umher rennen.
Jedermann kam irgendwann nachschauen, gab dir kluge Ratschläge oder fragte, "Wie lange dauert es noch, bis der Strom wieder da ist?"
Da sind die Nerven schon mal zum Zerreißen angespannt.
Just in diesem Moment kam noch mein Ausbildungsverantwortlicher vom Energieversorger, natürlich unangekündigt, um nach dem Rechten zu schauen.
Er war ein alter Fuchs, kurz vor der Rente und über penibel, was die Pflege von Werkzeug sowie Ordnung und Sicherheit an der Arbeitsstelle anging.
Und er fand sogleich etwas, woran er sich stieß.
Ich hatte nämlich vergessen einen Abstreicher vor der Tür der Telefonzentrale wegzuräumen und im Arbeitseifer ist der Putz darauf gefallen.
Er zog meinen Meister beiseite und fuhr ihn an: "Sagen sie mal Herr Rickert, sehen sie denn nicht, dass der Abstreicher voller abgebröckelten Putz ist?"
Betroffenes Schweigen kann auch eine Antwort sein!
Und weiter: "Wir regen uns immer über unsere jungen Leute auf, aber wenn ihr dann nicht darauf achtet, dass sie es auch richtig machen, dann brauchen wir uns auch nicht zu beschweren."
Fazit: Der Ausbildungsverantwortliche hatte mich vorerst aus dem Hafen abkommandiert.
***
Ich war nach dieser Aktion ein Vierteljahr mit einem Obermonteur vom Entstördienst des Energieversorgers auf Achse, der mir wichtige Tipps und Kniffe bei der Fehlersuche und Störungsbeseitigung beigebracht hatte.
Nach dieser Zeit musste ich zurück in den Hafen.
Die Wogen waren zwar geglättet, aber mit dem Meister war ich nicht mehr richtig warm geworden.
Immerhin hatte er mich bei meiner Abschlussarbeit in allen Belangen wirklich gut unterstützt, sodass ich meine Lehre mit Erfolg abgeschlossen hatte.
Dafür danke ich dem Meister im Nachhinein, denn mein Thema der Gesellenprüfung war sehr anspruchsvoll.
Ein reichliches Jahr später hatte ich als Betriebselektriker in einer großen Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft (GPG) angefangen, in der ich bis zu deren Liquidation, kurz nach der Wende, gearbeitet hatte.

(C) Jens Richter

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von Bad Letters am 06.01.2025:
Kommentar gern gelesen.
Ui Jens, das hätte aber auch gefährlich werden können. Gut, das es noch glimpflich ausgegangen ist!

MfG
Bad Letters

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