Veröffentlicht: 02.01.2025. Rubrik: Fantastisches
EinAuge
Darf ich mich kurz bei Ihnen, sehr geehrter Leser und Sie, sehr geehrte Leserin vorstellen?
Ich bin Eddy Krawzyk, ein verurteilter Bankräuber, der dem langen Arm des Gesetzes bislang erfolgreich entkommen konnte.
Alles fing damit an, dass ich mich in die Ehefrau des Bankiers von Tannenheim verliebte.
Da ich jedoch auch ein Liebhaber der schönen Dinge des Lebens war und dem Lockruf des Geldes erlag, kam ich recht schnell auf die schiefe Bahn.
Gelegenheit macht ja bekanntlich Diebe.
Es kam wie es kommen musste.
Ich flog auf und wurde von Hauptkommissar Hillmann ins Gefängnis gesteckt.
Dank einer Fügung des Schicksals konnte ich bereits nach einem halben Jahr dem Zuchthaus den Rücken kehren.
Ich tauchte damals in Salzburg unter.
Das ging auch eine ganze Weile gut, bis ich irgendwann unter Verfolgungswahn litt.
Ich packte meinen Habitus zusammen und wanderte kurzerhand in die Vereinigten Staaten von Amerika aus, noch ehe ich aufflog.
Dabei half mir eine Kontaktadresse eines Mithäftlings, dessen Kumpan mir einen lupenreinen Pass zur Verfügung stellte.
Und jetzt arbeitete ich in Hollywood als Facility Manager, zu deutsch Hausmeister im Requisitenkontor eines großen Filmstudios, welches sich auf den Dreh von SF-Streifen spezialisiert hatte.
Zugegeben, ich hatte den schönsten Job, den man sich denken konnte.
Mein Einkommen war in Ordnung.
Es reichte, um mein Leben zu bestreiten, meinen Pickup zu unterhalten und meine Miete war ebenfalls gesichert.
Für meine spätere Pension konnte ich auch noch etwas in verschiedenen Investmentfonds ansparen.
Ich war rundherum zufrieden mit meinem Leben.
Während draußen die Welt verrückt spielte, der Ukraine-Krieg mit aller Härte tobte, sich Millionen Menschen auf der Flucht befanden, pflegte ich Androiden und andere technische Requisiten im Kontor.
Ich nannte alle Androiden meine Freunde, unterhielt sie, indem ich ihnen jeden Tag von den Neuigkeiten da draußen berichtete.
Meine Freunde, das waren C3PO, Data, Futurama, Baymax, R2D2, Nummer5 und Digit.
Stumm hörten sie mir tagtäglich zu.
Irgendwann kam ich mal auf die bescheuerte Idee, alle Androiden anzuschalten.
Dabei stellte ich mir einen Mordsgaudi vor, wenn die Blechkameraden alle gleichzeitig los plapperten, piepten und pfiffen.
Das diesem Tag jedoch die aufregendste Zeit in meinem Leben zur Folge hatte, konnte ich zum jetzigen Zeitpunkt beim besten Willen nicht erahnen.
Es brauchte einige Minuten, ehe R2D2 hochgefahren war.
Vorher hatte ich ihn noch einmal vollständig inspiziert und seine Mechanik auf Leichtgängigkeit geprüft.
Sehr zu meiner Freude piepte er in gewohnter Manier und drehte sich im Kreise.
Ich deutete es als Freude.
Immerhin war der Blechkamerad seit Jahren nicht mehr aktiviert gewesen.
Zu meinem Erstaunen bewegte er sich, nachdem er sich gesammelt hatte, zielstrebig zu meinem laufenden PC.
Sein Arm kam zum Vorschein und dockte am USB-Port an.
Ein gutes Stündchen verharrte er, seine Geräusche wurden jedoch immer depressiver.
In der Zwischenzeit erweckte ich die anderen Kameraden zum Leben.
Meine Werkstatt glich fortan einem Irrenhaus.
Den Lärm, den die blechernen Stimmen verursachten, war ohrenbetäubend.
Der Schlimmste von allen war C3PO.
Er schwatzte ungefragt drauflos.
"Master Luke", begann er, "Es ist mir eine Freude...."
Ich schüttelte den Kopf.
"Darf ich mich erst einmal vorstellen", unterbrach ich C3PO. "Ich bin Eddy."
"Pardon, Mister Eddy, ich bin C3PO, Protokoll- und Übersetzungsdroide. Ich beherrsche über sechs Millionen Kommunikationsformen."
"Ich weiß."
R2D2 pfiff aufgeregt.
"Master Eddy, unser kleiner Blechfreund hat ihnen etwas mitzuteilen."
"Ja und was?"
"Er meint, dass der Menschheit eine große Gefahr droht."
"Was ist es diesmal? Noch keine fünf Minuten aktiviert und schon eine Hiobsbotschaft."
"Es ist Eile geboten."
Er wandte sich R2D2 zu. "Zeige Master Eddy deine Nachricht."
Der Droide projizierte wie befohlen ein Holobild in den Raum.
Man konnte deutlich eine künstliche Insel, in allen möglichen Abbildungen erkennen, welche sich im pazifischen Ozean befand.
C3PO erläuterte, was zu sehen war.
Es handelte sich um eine, von Terroristen erbaute Schaltzentrale, in deren Mittelpunkt sich eine künstliche Intelligenz namens OneEye (EinAuge) befand.
Diese Super-KI verwertete alle durch Datenströme verarbeitete Informationen aus öffentlichen, privaten und militärischen Netzen.
Der KI blieb keine noch so kleine Information verborgen, die eine digitale Spur im Weltnetz hinterlassen hatte.
EinAuge betrachtete zwischenzeitlich die meisten Staaten auf der Welt als Bedrohung für die Erde und hatte bereits einen Masterplan zu deren Liquidation ausgearbeitet.
An einem Tag X sollten unbemannte, von dieser KI gesteuerte Drohnen Angriffe auf vordefinierte Ziele durchführen.
Übrig bleiben sollten nur noch Völker, die sich mit der Erde und der Natur verbunden fühlen.
Ich war entsetzt von C3POs Worten und sprachlos.
Eine geheime KI droht Staaten von militärischem Schwergewicht oder Verteidigungsbündnissen mit deren Vernichtung.
Das entsprach genau meinem Humor.
Diesen Gedanken zu Ende gesponnen, hieße, dass die gesamte westlich geprägte Welt, viele asiatische Staaten und der mittlere Osten ausgelöscht werden.
In meinem Kopf kreiselte es.
Das Leben vieler Menschen, einschließlich meines waren in höchster Gefahr.
Ich hatte endlich meine kriminelle Vergangenheit hinter mich gebracht, mir hier einen guten Ruf erarbeitet und das alles soll für die Katz gewesen sein?
Nein, tausend mal nein!
Ich bin, das weiß Gott allein, kein Held.
Aber hier musste eine schnelle Lösung her.
"Was können wir tun", knurrte ich, "um die drohende Katastrophe abzuwenden?"
Nummer5 meinte, "Wir müssten uns mit dem Militär in Verbindung setzen."
"Genau das möchte diese irre KI doch erreichen", entgegnete ich.
Aber zugegeben, Nummer5 hatte recht.
Niemand anderes konnte bei einer Bedrohung von diesem Ausmaß weiterhelfen.
"Wem vom Militär schlagt ihr vor?"
R2D2 hatte offensichtlich eine Lösung parat.
Er erzeugte ein neues Holobild, dass einen Militärstützpunkt darstellte, ca. vier, fünf Stunden mit dem Auto entfernt.
Dort hielt sich gerade ein Admiral zur Inspektion der Ausrüstungen auf.
Das war unser Mann.
"Wartet hier auf mich", sprach ich in die Runde der Blechkameraden.
Ich verließ eilig die Werkstatt und holte meinen Pickup.
R2D2 und Nummer5 vertäute ich auf der Ladefläche.
C3PO war mein Beifahrer.
Die anderen Droiden schaltete ich zurück in den Standby-Betrieb.
Sie mussten in der Werkstatt bleiben.
***
Fünf Stunden später standen wir vor der Schranke eines Marinestützpunktes, dessen Namen ich hier weglasse, um keine militärischen Geheimnisse preiszugeben.
Das musste ich später tatsächlich auch unterschreiben.
Ein grimmig dreinschauender Korporal versperrte uns den Weg.
Wir unterrichteten ihm kurz von der KI und dass wir deswegen Admiral Custer sprechen müssten, was bei ihm auf taube Ohren stieß.
Im Gegenteil, mit seinem Sturmgewehr gab er mir deutlich zu verstehen, dass ich mich mit meiner Fuhre vom Acker machen sollte.
Oder er würde mich in ein Irrenhaus einweisen lassen.
Ich fuhr weg von der Einfahrt.
***
"Wir müssen da rein und mit Admiral Custer sprechen."
Im Prinzip war es egal, ob ich vor einem Militärgericht lande, um in den Knast zu wandern oder von einer KI getötet zu werden.
Die erste Variante war immer noch besser.
Ich wendete mit dem Pickup, trat aufs Gas und raste auf den Schlagbaum zu.
Der Korporal sprang beiseite.
Es schepperte gewaltig, als die Schranke zerbarst.
Dann heulte eine Sirene auf.
Der Korporal feuerte Warnschüsse hinter uns in die Luft.
Ein riesiges Tohuwabohu war die Folge.
Vor dem Hauptgebäude hielt ich den Pickup an.
Wir waren sofort von gefühlt 100 Soldaten umzingelt.
Das Tor des Gebäudes öffnete sich und zwei hochrangige Offiziere traten ins Freie.
Admiral Custer und der Commander des Marinestützpunktes.
"Was zum Teufel ist hier los? Sind sie von allen guten Geistern verlassen?", tobte der Admiral.
Er brach im Anschluss in schallendes Gelächter aus, als er C3PO, R2D2 und Nummer5 sah.
Jetzt lachten auch die Soldaten und senkten ihre Waffen.
Aber das hatte noch gar nichts zu sagen.
"Wollen sie hier den Krieg der Sterne beginnen? Und wer sind sie überhaupt?"
"Ich bin Eddy Krawzyk und komme in einer wichtigen Angelegenheit zu ihnen, Admiral. Und ja, es könnte uns auch ein Krieg der Sterne drohen."
"Sie sind wohl ein Spaßvogel?", raunte der Admiral.
Seinen Soldaten befahl er, "Festnehmen und in den Bau mit ihm. Wir knöpfen uns den Mann morgen vor."
Zwei Hünen wollten mich ergreifen.
Da ich aber Shoto Jitsu beherrschte, konnte ich die Beiden erfolgreich abwehren.
"R2D2, C3PO spielt die Nachricht ab."
Der kleine Droide baute die Holoprojektion auf.
C3PO übersetzte.
Die Offiziere standen da, als hätte es geblitzt.
Auch die Soldaten staunten Bauklötze.
"Können wir jetzt vernünftig miteinander reden?", fragte ich.
Der Admiral nickte.
"Alles wieder auf die Posten", befahl er den Mannschaften.
Er wies uns an, ihn in das Gebäude zu begleiten.
In einem Konferenzraum nahmen wir, der Admiral, der Commander, C3PO, R2D2, Nummer5 und ich, platz.
Alle Kommunikationsgeräte mussten außerhalb des Raumes bleiben.
"Ist der Droide sauber?", fragte mich der Commander.
"C3PO arbeitet und entscheidet autark", versicherte ich ihm.
"Und die anderen zwei?"
"R2D2 und Nummer5?"
"R2D2 holte sich ein Update aus dem Weltnetz, wo er auch von der Existenz von EinAuge erfahren hat. Ist R2D2 nicht am Netz, so kann er auch nicht zurückverfolgt werden. Und Nummer5 arbeitet ähnlich wie C3PO."
"Commander, es bleibt immer ein Restrisiko mit dem wir leben müssen", wiegelte der Admiral ab.
Wir diskutierten eine Weile, welche militärischen Mittel zur Verfügung standen, um uns unentdeckt EinAuge zu nähern.
"Mir ist gerade kein System bekannt, welches völlig unabhängig von Netzwerken agieren kann", resignierte der Commander.
"Doch es gibt da eins", warf der Admiral ein. "Goliath 3!"
Der Commander stutzte.
"Wurde dieses Waffensystem nicht eingestampft?"
"Was ich ihnen jetzt erzähle, bleibt unter absoluter Geheimhaltung. Ist das allen hier klar? Das gilt auch für die Droiden. (Alles nickte oder machte anderweitige zustimmende Geräusche.) Im Auftrag des Flottenkommandos wurden seinerzeit offiziell zwei Hightech-Unterseeboote gebaut. Diese Unterseeboote fuhren quasi unsichtbar, besaßen Schutzschilde und ein Bomben-, Raketen- sowie Torpedoabwehrsystem. Von sonstigen hypermodernen Waffensystemen ganz zu schweigen. Goliath 1 wurde durch Seeleute gesteuert und Goliath 2 durch eine künstliche Intelligenz. Die Marine wollte testen, ob bei der zukünftigen Kriegsführung gänzlich auf den Einsatz von Menschen verzichtet werden kann. Das Projekt lief aus dem Ruder. Die KI übernahm innerhalb kürzester Zeit Goliath 2. Wir hatten am Ende alle Möglichkeiten ausschöpfen müssen, um Goliath 2 zu vernichten. Im Anschluss wurde auch Goliath 1 im Ozean versenkt. (Der Admiral holte tief Luft.) Jetzt zum inoffiziellen Teil. Einige hochrangige Flottenoffiziere wie auch meine Person ließen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter äußerster Geheimhaltung Goliath 3 bauen. Goliath 3 und ein viertes Unterseeboot, welches noch nicht montiert wurden ist, liegt in einer Werft. Wir planten zwei schwimmende Festungen zu bauen, ähnlich der Airforce One und Two. Vorausgesetzt die Admiralität stimmt zu, könnte Goliath 3 sofort aktiviert werden. Das sehe ich als die einzige reelle Chance an, um die KI im Pazifik ins Visier zu nehmen."
"Admiral, ich bin bestimmt der Letzte, der sie daran hindert", nickte ich seine Ausführungen ab.
"Dass das Flottenkommando zustimmt, daran habe ich keinen Zweifel. Aber ich befürchte, dass wir derzeit über kein geeignetes Personal verfügen, dass Goliath 3 bedienen kann."
"Master Admiral", entrüstete sich C3PO, "R2D2 ist konstruiert worden, um hochkomplexe Systeme aller Art zu bedienen. Und Nummer5 kann das technische Personal unterstützen."
Der Admiral schüttelte ungläubig den Kopf.
R2D2 piepte und wackelte vor sich hin.
"R2D2 sagt, er müsse sich nur an die Steuerung der Goliath 3 andocken."
"Probieren wir es", willigte der Commander ein. "Wir haben keine große Auswahl."
"Gut", brummte der Admiral, "gehen wir die Sache an."
***
Die nächsten Tage verbrachte ich mit Nummer 5 im Stützpunkt.
Der Admiral, C3PO und R2D2 war mit einem Hubschrauber zum Pentagon geflogen.
Ein Sergeant klebte mir die ganze Zeit an den Fersen.
Er wollte wissen, welchen militärischen Rang ich begleiten würde, weil jetzt alle Aufmerksamkeit auf mir ruhten.
Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich Wehrersatzdienst in der Ex-DDR abgeleistet hatte und als Unterfeuerwehrmann (was dem Dienstgrad eines Gefreiten entsprach) entlassen wurden war.
Da der Sergeant damit offenbar nichts anfangen konnte, salutierte er jeden Tag bei meiner Begrüßung aufs Neue.
Innerlich musste ich darüber köstlich schmunzeln.
Ich musste zugeben, dass ich diesen absoluten Gehorsam bei meiner Dienstzeit nicht kennengelernt hatte.
Man salutierte zwar vor dem Einsatzleiter, aber das war es auch schon.
Bereits ein Rang unter ihm ging es per du und kameradschaftlich zu.
***
Die Wartezeit am Standort zog sich wie ein Gummiband.
Dann war es soweit.
Drei Transporthubschrauber dröhnten heran und landeten auf dem Exerzierplatz des Marinestützpunktes.
Custer erklärte im Konferenzraum alle Einzelheiten des Planes.
Danach brachten uns die Helikopter zur Werft, wo die Goliath 3 am Trockendock lag.
Zu den Besatzungen gehörten die Techniker, die mit dem Unterseeboot vertraut waren.
Dazu einige Waffenspezialisten sowie ein erfahrener U-Boot-Commander, der die Befehlsgewalt an Bord innehatte.
Admiral Custer war ebenso an Bord, als militärischer Berater.
Da ich mich wiederum mit den Droiden bestens auskannte, durfte ich ebenso auf das Boot.
Da wir während der Operation aus sämtliche Kommunikationsmittel verzichten mussten, war R2D2 unersetzlich.
Er hatte die Koordinaten von EinAuge in seinem RAM abgelegt.
Ich kann kaum in Worte fassen, was Goliath 3 für ein gigantisches Unterseeboot war.
Mit seiner Kaulquappenform war es für zügige Tauchfahrten ideal geeignet.
Das Innenleben erinnerte mich an die USS Enterprice aus den Star-Trek-Filmen.
Ich kenne mich wirklich mit moderner Technik aus, aber das hier war Science Fiction in Realität.
***
Nachdem das Unterseeboot zu Wasser gelassen worden war und R2D2 die Steuerung sowie die Waffensysteme gecheckt hatte, stachen wir in See.
Ein wenig fühlte ich mich wie Ethan Hunt bei Mission Impossible.
***
Der Commander stand bereits einige Zeit am Periskop und suchte die Wasseroberfläche ab.
"Ziel ca. 10 Meilen voraus", kommentierte er irgendwann. "Geschwindigkeit halbe Kraft voraus."
Das Echo reagierte fast zeitgleich auf ein Hindernis.
Vor uns lag die künstliche Insel.
Der Commander holte das Seerohr ein.
"Mich würde interessieren", brummte Admiral Custer, "wie man ein derartiges Objekt so klammheimlich errichten kann."
"Auf ähnliche Art wie wir unser Schätzchen hier an der Öffentlichkeit vorbei gebaut haben", antwortete der Commander.
Dann plötzlich eine Detonation knapp neben der Außenhaut von Goliath 3.
Eine heftige Turbulenz war die Folge.
Uns schüttelte es anständig durch.
Feindliche Flugobjekte griffen aus der Luft die Goliath an.
Trotz der Tarnkappenfunktion waren wir nicht unentdeckt geblieben.
"Schutzschilde auf einhundert Prozent hochfahren, sofort!"
R2D2 pfiff und summte.
Sein Zentralrechner arbeitete auf Hochtouren.
Mich wunderte, dass sich C3PO so unaufgeregt verhielt.
Offenbar malte er sich bereits aus, dass er als Schrott enden könnte.
EinAuge hatte uns offensichtlich als Bedrohung wahrgenommen und schickte Drohnen, um uns abzuwehren.
Custer sprach, "Commander, mein Wunsch wäre es gewesen, die KI zu beschlagnahmen. Da wir aber angegriffen werden, ordne ich die vollständige Neutralisation der Insel an."
"Bereiten sie den Abschuss einer thermosensorische Rakete vor", befahl der Commander dem Waffenoffizier.
Einen Augenblick später, "Commander, die Rakete hat das Ziel erfasst. Bereit zum Abschuss."
"Befehl zum Abschuss erteilt!"
Das Unterseeboot vibrierte unter dem Rückstoß der Rakete.
Sekundenbruchteile darauf eine riesige Wasserfontaine an der Stelle, wo sich kurz vorher die Insel befand.
Die Drohnen stürzten, nach dem Wegfall der Steuerung in den Pazifik.
Allgemeines Aufatmen an Bord.
"Commander, es gibt hier für uns nichts mehr für uns zu tun. Treten wir die Rückfahrt zur Werft an."
"Aye aye, Sir", bestätigte der Commander den Befehl des Admirals.
***
Meine Aufregung legte sich sogleich.
Ich war mir sicher, dass das die Erste und zugleich letzte Mission war, an der ich freiwillig teilgenommen hatte.
Wie abgeklärt dagegen doch die Seemänner agierten.
***
Ein Kommando des militärischen Abschirmdienstes arbeitete, während wir uns auf Goliath 3 befanden, auf Hochtouren daran, die oder den Drahtzieher zu finden, die EinAuge erschaffen hatten.
Die Suche weitete sich letztendlich um den gesamten Erdball aus.
Alle möglichen befreundeten Sicherheitsdienste waren involviert.
Es wurde eine international tätige Bruderschaft mit dem Namen RAKNARÖK bis ins letzte Glied ausgehoben.
Diese Bruderschaft wollte tatsächlich die Menschheit in einen kriegerischen Konflikt verwickeln, um sie stark zu reduzieren.
Mit nur wenigen verbliebenen Menschen wollte diese im Anschluss einen Neuanfang starten.
Das alles konnte nur aufgedeckt werden, weil ich die kleinen Filmdroiden in meiner Werkstatt zum Leben erweckt hatte und R2D2 dienstbeflissen ein Sicherheitsupdate aus dem Weltnetz heruntergeladen hatte.
***
Epilog
Wochen, nachdem EinAuge im Ozean versenkt worden war, wurde ich zum Flottenkommando vorgeladen.
Der frisch beförderte Vizeadmiral Custer bedankte sich vor einer Abordnung ranghoher Offiziere für meinen Einsatz und meine Beharrlichkeit im Kampf gegen diese Super-KI.
Zum Abschluss übergab er mir eine Akte des LKA Bayern, die Custer aus Deutschland angefordert hatte.
"Ich hatte veranlasst, dass diese Akte aus dem Zentralregister gelöscht wird. (Er zwinkerte mir dabei zu.) Ich muss gestehen, nur ein Mann von ihrer Dreistigkeit hat das Potenzial, die Welt zu retten. Ich hatte mich beim Durchlesen der Akte wirklich köstlich amüsiert."
***Ende***
Jens Richter, 2024