Veröffentlicht: 27.01.2025. Rubrik: Aktionen
Der Strom kommt hier nur stoßweise (Januaraktion)
Kürzlich hatten wir unser 40jähriges Klassentreffen und natürlich wurde wieder diese alte Kamelle aufgewärmt.
Fast jeder Babyboomer (Mitte Fünfziger) kann sich sicher noch erinnern, dass es in den Klassenzimmern seiner Schule Leuchtenbänder gab, die mit Leuchtstoffröhren bestückt waren.
Die Leuchtstoffröhren wurden mittels Starter gezündet.
Um Strom zu sparen, da der Startprozess einer Leuchte enorme Verbrauchsspitzen verursachte, brannten die Leuchtenbänder die gesamte Unterrichtszeit eines Schultages hindurch.
Durch den Einsatz von Blindleistungskompensationsanlagen hätten diese unliebsamen Erscheinungen vermieden werden können.
Doch diese gab es nur in landwirtschaftlich genutzten oder in Industriebetrieben.
Oder in Schulneubauten.
Aber nicht in unserer alten Schule, wo bereits die Dinosaurier das Lesen und Schreiben erlernt hatten.
Damals, es war in der neunten oder zehnten Klasse hatten wir an einem Tag Unterricht in drei Klassenzimmern.
Und dazu ausgerechnet in Klassenzimmern, die im EG, im 1. OG und im 2. OG genau übereinander lagen.
Da wir Jungs aus der B immer für einen guten Gag zu haben waren, verabredeten wir ein "kleines Späßchen".
Wir drehten in den Unterrichtspausen in sämtlichen Leuchten die Starter locker, so dass diese zwar weiterhin in der Halterung saßen, aber keinen Kontakt mehr gaben.
Die Aktion erfolgte in allen drei Klassenzimmern.
Die Leuchten brannten erst einmal weiter, aber...
Am nächsten Schultag, als allen auffiel, welchen Quatsch wir verbockt hatten, waren wir nicht in der Schule.
Wir hatten planmäßig ESP - (Einführung in die sozialistische Produktion) und PA - (Produktive Arbeit) Unterricht im VEB Baumechanisierung Dresden.
In der Schule herrschte indessen helle Aufregung.
In den besagten Klassenzimmern war die Beleuchtung ausgefallen.
Die Leuchtstoffröhren lumineszierten zwar, ähnlich den Nordlichtern, leuchteten aber nicht.
Der stellvertretende Direktor, der mit den Auswirkungen unserer Aktion konfrontiert war und eigentlich technischen Sachverstand hatte, meinte: "Der Strom kommt hier nur stoßweise".
Eine Aussage, die uns noch heute beim Lachen Tränen in die Augen treibt.
Der Fehler wurde noch am selben Tag von einem Elektronotdienst behoben, was für die Schule nicht ganz billig war.
Die Lehrerschaft zählte recht bald eins und eins zusammen und man kam auf unsere Klasse als Übeltäter.
Jetzt wollte man aus uns natürlich die Bestätigung für den Verdacht herauskitzeln.
Bis auf einen Schüler waren wir jedoch alle verschwiegen.
Dieser eine veriet zwar keine einzelne Klassenkameraden, gab jedoch zu, dass das eine gemeinschaftliche Aktion war.
So sollte unsere Klasse einen Schaden von 105,00 Ostmark für die Reparatur ausgleichen.
Das war ein Eigenanteil von 5 Mark und 25 Pfennige für jeden, bei nur zwanzig Schülern in der Klasse.
Dieser Betrag überstieg locker mein wöchentliches Taschengeld.
Doch der Elternrat entschied sich dagegen, dass wir für den Schaden aufkommen sollten, da sich die Lehrerschaft hinsichtlich der Aufsichtspflicht nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte.
Aber ohne Strafe sollten wir nicht davongekommen!
Wir Schüler mussten an einem Nachmittag unmittelbar nach dem Unterricht einen VMI-Einsatz zur Pflege der Außenanlagen ableisten.
Naja und am Ende konnten alle gut damit leben.
Jens Richter, 2025