Veröffentlicht: 01.02.2025. Rubrik: Aktionen
Der Maskenball
„Nur Schrott in der Glotze“, schimpft mein Mann. „Ich frage mich wirklich, wofür ich noch diese horrenden Fernsehgebühren bezahle“. „Am Samstag ist ein Maskenball im Ratskeller. Sollen wir hingehen ?“ nutze ich die Gunst der Stunde, denn seit Jahren kann ich meine „Bessere Hälfte“ nicht vom Kanapee wegbewegen. Er überlegt. Das ist schon mal ein guter Ansatz. „Wir müssten uns allerdings verkleiden. Kostümpflicht“, ergänze ich ganz vorsichtig. „Du hast doch da noch das beige Kostüm. Das kannst Du ja anziehen“. „Meint der das im Ernst oder hat das Fernsehprogramm bereits einige Hirnfunktionen gelöscht ?“ geht es mir durch den Kopf. Ignorieren, einfach ignorieren.
Am nächsten Tag ziehe ich los und besorge mir eine wasserstoffblonde Perücke, Schlauchlippen zum Ankleben, XXXL-Wimpern und ein Kamuflage Make-Up, mit dem Frau aussieht, als wäre sie frisch gebotoxt. Was die Wimpern zu lang sind, ist der Rock zu kurz.
Für meinen Mann wähle ich eine rosa Irokesenperücke, Ohrringe in Form von Rasierklingen, einen Nasenring und ein Klebetattoo, auf dem Habeck und Esken von Amors Pfeil getroffen werden. Darunter das Spruchband „True love“. Die Klamotten hole ich aus dem Altkleidersack und gebe ihnen mit Schere, Sicherheitsnadeln und einem Rest Wandfarbe den letzten Schliff. Auf der Jacke befestige ich noch eine Plüschratte. „Aber irgendwas fehlt noch“. Ich überlege. „Ich hab‘s“, und spüle eine leere Bierflasche aus, die mein Göttergatte, dann in der Hand tragen kann.
Als wir uns umgezogen haben, kann sich mein Mann nach 10 Minuten wieder beruhigen. Ich brauche noch 5 Minuten länger. Jeder Bauch- und Gesichtsmuskel schmerzt vor Lachen. Zum Glück trage ich künstliche Wimpern, da kann nichts verlaufen.
In der S-Bahn treffen wir auf eine Gruppe, die meinem Mann verblüffend ähnlichsieht. „Auf welchen Ball geht ihr denn ?“ fragt er höflich. „Hey, Alter. Chill mal Dein Leben“, erwidert einer aus der Gruppe gereizt. Ich ziehe meine Begleitung am Ärmel. Niemand käme auf die Idee, dass wir zusammengehören. „Sei still, die sind echt. Und außerdem in der Überzahl.“ Zum Glück müssen wir an der nächsten Station raus. „Ratskeller“, lese ich laut und bin etwas enttäuscht, dass keine Menschenschlange vor der Tür zu sehen ist.
An der Kasse sitzt eine Dame, die eine frappierende Ähnlichkeit mit meiner Verkleidung hat. „Ha, ha“, lache ich laut. „So ein Zufall. Haben sie ihre Perücke und die Lippen auch bei „Rotzsmann“ gekauft ?“ Blitze schlagen mir entgegen. Mein Mann flüstert „Das ist keine Verkleidung“. „Oh, das tut mir leid“, rutscht mir meine, deutlich hörbare, Reaktion heraus. Ich werde zum lebenden Beweis, dass Blicke wirklich nicht töten können. Dafür kann ich es mir aber nicht verkneifen, der Damen einen, ungefragten, guten Rat zu geben. „ Da ist ein fünfstelliges Schmerzensgeld drin. Ich empfehle ihnen die Kanzlei Halsab oder Schneider und Söhne. Die sind auf solche Pfuschereien spezialisiert.“ Die Musik im Tanzsaal setzt ein und übertönt die Antwort der Kassiererin. Mein Mann, der mittlerweile nicht mehr neben, sondern hinter mir steht, schupst mich mit Nachdruck an und zwingt mich weiter zu gehen.
Eine Polonaise zieht durch den Tanzsaal, bei der die Löcher aus dem Käse fliegen. Die Besucher*innen haben, Dank ein paar Schnäpsen, bereits die richtige Betriebstemperatur erreicht. Cleopatra fällt meinem Mann um den Hals, noch bevor wir Platz nehmen können. Ich werde von einem Oberförster nicht an der Schulter, sondern etwas weiter unten und vorne gefasst. Dabei nötigt er mich, dem „lustigen Reigen“ zu folgen. Als ich mich endlich aus seinen Griffe(l)n befreit habe, zwickt mich ein Sherif am Po und haucht:“ Ich bin die Sittenpolizei“.
„Hiiilfe“, ich will hier raus, geht es mir durch Kopf, schnappe meinen Mann am Arm und befreie ihn aus den Fängen von Cleopatra, die sich – wie eine Krake - an seinem Hals festgesaugt hat.
„Tut mir leid, Schatz. Ich wusste nicht, dass man den Begriff „närrisches Treiben“ so wörtlich nehmen muss.“
Zuhause öffnen wir die beste Flasche Wein und machen es uns – auch ohne TV – seeehr gemütlich. Und Spaß hatten wir auch dabei.
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