Veröffentlicht: 25.01.2025. Rubrik: Satirisches
Moderne Kunst
Dauerregen ist die optimale Voraussetzung für den Besuch einer Vernissage. Klorian Funst stellt aus, ein absoluter Geheimtipp in der Kunstszene. Die Preise seiner Bilder gehen durch die Decke und Experten sehen in ihm einen würdigen Nachfolger für Miro und Richter.
Zwei offensichtliche Experten stehen mit entzücktem Gesichtsausdruck vor einem Exponat und fachsimpeln. „Diese Tiefe“. „ Und so ausdrucksstark.“ Ich schaue nach links und dann nach rechts, auf der Suche nach einem ausdrucksstarken Gemälde mit Tiefe, werde aber nicht fündig. Auf einer 2 x 2m großen Leinwand ist ein roter Kreis mit grünen und weißen Schlangenlinien zu sehen. Bei dem Bild vor mir erkenne ich nur ein schwarzes Quadrat auf gelbem Hintergrund mit ein paar willkürlichen Farbkleksen. Weit und breit nichts, absolut gar nichts, was mir auch nur ansatzweise ein zustimmendes „ ok“ entlocken könnte, geschweige denn, ein euphorisches „Ohh“ oder „Aaah“.
„Gibt es zu den Gemälden auch eine „Gebrauchsanweisung“, frage ich einen der entzückten Kunstkenner. „Aber gnädige Frau ! Diese Kunstwerke sind doch absolut selbstredend.“ „Mag sein. Aber ich habe mein Hörgerät zu Hause vergessen und verstehe nicht, was sie mir sagen wollen“, säusele ich in der naivsten Stimmlage, die mein Kehlkopf hergibt. Schweigend tauschen die fachkundigen Besucher Blicke aus. Kopfschüttelnd treten sie einen Schritt zurück, als hätten sie Angst, von meiner „Ignoranz“ angesteckt zu werden. Sie ringen ebenso nach Worten wie um Fassung.
Eine ganze Besuchergruppe betritt den Raum. Der „Guide“ ( Führer gibt es ja nicht mehr ), erklärt: „Und vor uns das neueste Meisterwerk „ Wetterleuchten in New York“. Gemeint sind die 2m2 Leinwand mit Quadrat und Farbkleksen. „Großartig“, „fantastisch“ , lautet das begeisterte Urteil. „Was kostet das Werk ?“ fragt ein Mann in den besten Jahren. „Ich bitte Sie. Hier handelt es sich um ein absolutes Liebhaberobjekt. Der Preis sollte da keine Rolle spielen. In einem Jahr wird sich der Wert bereits verdoppelt haben.“
„Und hier haben wir ein wunderschönes Stillleben: Tomate mit grünem und weißem Spargel. Das Werk besticht durch seinen Minimalismus und die natürliche Farbgebung.“ „Meisterhaft, wirklich meisterhaft“, ruft eine Besucherin durch den Saal.
Ich habe genug gesehen und mehr als genug gehört. Jetzt brauch ich etwas fürs Gemüt. Schwarzwälder Kirsch oder Käsesahne ? Egal. Beides liegt voll in meinem Budget und bedarf auch keiner weiteren Erklärung. Mit geschlossenen Augen, lasse ich das Kunstwerk auf meiner Zunge zergehen. „Aaaaah. Fantastisch. Grossartig.“ Bei den irritierten Blicken vom Nachbartisch verschlucke ich mich fast an meinem Kaffee. Oh, und der Regen hat auch aufgehört.