Veröffentlicht: 25.01.2025. Rubrik: Satirisches
Abnehmen ist kein Zuckerschlecken
Als ich mich Neujahr vor den Spiegel stellte und meinen Bauch betrachtete, verkündete ich pathetisch: „Ab heute wird abgenommen“.
Ich öffnete den Kühlschrank und erklärte ihm meine Feindschaft. Der Kühlschrank antwortete nicht, aber die Reste der Pizza lächelten höhnisch. Ich warf sie in den Müll – na, ja, fast. Sie landete auf meinem Teller, aber nur, weil man Essen nicht verschwenden soll. Danach war ich bereit.
Meine Recherche begann im Internet. Dort stieß ich auf die ersten Hindernisse: Aktins-Diät, Low-Carb-Diät, Ketogene-Diät, Intervallfasten. Es war, als würde ich für ein Examen in Ernährungswissenschaften lernen, ohne vorher die Grundlagen zu verstehen. Am Ende entschied ich mich für eine Mischung aus allem. Das bedeutete, ich durfte nichts mehr essen, außer gelegentlich einem Blatt Salat und einem Hauch Luft, aber nur, wenn die Kalorienzahl stimmte.
Am ersten Tag war ich motiviert. Das Frühstück bestand aus einem Smoothie, der nach nasser Pappe schmeckte. Der sollte angeblich meinen Stoffwechsel anheizen. Der Smoothie tat sein Bestes. Mein Magen jedoch war skeptisch. Er knurrte schon vor dem Mittagessen. Ich beruhigte ihn mit einer Handvoll Mandeln. Das durften aber nur drei Stück sein, sonst hätte meine App skandiert.
Im Fitness-Studio wollte ich die verbrannten Kalorien erhöhen. Dort begegnete ich einem durchtrainierten Muskelprotzen. Er spielte mit den Hanteln, als wären sie aus Styropor. Ich hingegen kämpfte auf dem Laufband. Es gewann. Nach 10 Minuten hatte ich das Gefühl, den Mount Everest bestiegen zu haben.
Am dritten Tag beschloss ich joggen zu gehen. Dabei stellte ich fest, dass mein Nachbar ein Hund ist. Er rannte mir bellend hinterher. Aus Angst lief ich so schnell, dass meine Fitness-App euphorisch applaudierte. Und während ich keuchend einen Gartenzaun übersprang und mich in Sicherheit brachte, verkündete sie: „Sie haben ihr Ziel erreicht“.
Doch der wahre Feind lauerte in der Nacht: Heißhungerattacken. Gegen Mitternacht hörte ich es aus der Küche rascheln. Ich schlich hinaus und da war sie: die letzte Tafel Schokolade. Sie sah mich an, ich sah zurück „Nur ein kleines Stück“ flüsterte ich, und doch verzerrte die ganze Tafel.
Am Ende der Woche stellte ich mich auf die Waage. Das Ergebnis: ein halbes Kilo mehr. Ich war schockiert. Hatte mein Körper etwa Muskeln aufgebaut? Oder hatte der Smoothie zu viel Zucker. In meiner Verzweiflung nahm ich die Waage hoch und schüttelte sie. Sie blieb stur.
Doch statt aufzugeben, schmunzelte ich.
Abnehmen ist vielleicht kein Zuckerschlecken, aber ich habe gelernt, dass man dabei nicht den Humor verlieren darf. Und falls alles scheitert, gibt es ja noch die Möglichkeit, sich eine größere Hose zu kaufen. Schließlich zählt das Wohlbefinden mehr als die Waage.