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3xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Ernst Paul.
Veröffentlicht: 21.12.2024. Rubrik: Satirisches


Der alternde Weihnachtsmann

Seit Jahrhunderten schaffte es der Weihnachtsmann, die Geschenke pünktlich zu verteilen. Es war ihm immer eine Freude, wenn er beim Überreichen der Geschenke in strahlende Kinderaugen sah. Doch nun war er in einem Alter, das ihm nicht mehr erlaubte, all die Arbeiten allein zu erledigen.
»Ich habe doch auch ein Recht auf Rente«, sagte er, »warum muss ich bis an mein Lebensende arbeiten.«
Pflichtbewusst, wie er war, beantragte er bei der oberen Weihnachtsbehörde einen Praktikumsplatz für einen Nachfolger.
Es wird Zeit, dass ich mich zur Ruhe setze, so schrieb er, ich bin fertig auf die Knochen. Das Schleppen der vielen Weihnachtsgeschenke hat meine Gelenke ruiniert. Ich trage schon ein Exoskelett (äußere stabile Hülle für den Organismus). Und, jedes Jahr werden es mehr Geschenke. Mir wird diese Arbeit einfach zu viel. Ich beantrage deshalb einen Praktikumsplatz für mein Unternehmen. Dieser Praktikant soll dann auch mein Nachfolger werden. Ein reibungsloser Übergang wäre damit gewährleistet. Es wäre schön, wenn sie einen Vertreter der Generation Z für diese Tätigkeit begeistern könnten. Da kann ich auch hautnah erleben, was uns die Zukunft bringt.

SatirepatzerSatirepatzerDie obere Weihnachtsbehörde stimmte diesem Antrag unter der Bedingung zu, dass der Weihnachtsmann den Praktikanten von seinem Gehalt bezahlt. Der Praktikant würde ja auch seine Arbeit erledigen, so die Begründung. Der Weihnachtsmann willigte ein. Zu wichtig war ihm, dass Kinder auch weiterhin ihre Geschenke an Weihnachten erhielten.

An einem kalten Dezembermorgen erschien Leon, ein Vertreter der Generation Z, beim Weihnachtsmann. Seine Kapuze tief in das Gesicht gezogen, das Smartphone in der Hand, die AirPods in den Ohren. Praktikum beim Weihnachtsmann war nicht unbedingt der Renner, aber immer noch besser als zehn Videos „So bewerbe ‚Ich‘ mich“ bei TikTok veröffentlichen. Das ist cringe. Die Queen Lady vom Amt macht aber echt Druck.

»Willkommen, mein Junge!«, rief der Weihnachtsmann mit einer Stimme, die nach Glöckchen und Lebkuchen klang. Leon hob eine Augenbraue und tippte in sein Smartphone, sah zum Weihnachtsmann und sagte: »Cooler Vintage-Look, Santa. Läuft das hier fair-trade? Rauschebart, roter Mantel und so? Echt awesome.«
Der Weihnachtsmann blinzelte verwirrt.
»Äh … wir arbeiten seit hundert Jahren so?«
»Okay, Boomer«, murmelte Leon, tippte in sein Smartphone und folgte dem Weihnachtsmann in die Werkstatt.
Die Elfen sahen Leon mit Misstrauen an. Er ließ sich auf eine der Werkbänke fallen, schlug die Beine übereinander, griff in seine Jackentasche, holte ein Päckchen heraus und drehte sich ein Joint.
»Also, wie macht ihr das mit der Arbeitszeit? Elf-Stunden-Tag? Schon mal was von Work-Life-Balance gehört? Und was ist mit KI? Hättet ihr nicht längst auf maschinelles Lernen umsteigen können?«
Ein Elf flüsterte: »Ist der kaputt?«
»Kaputt?«, murmelte ein anderer, »der ist fertig mit unserer Welt!«
Der Weihnachtsmann ließ sich die Säcke bringen, die er mit Leon am Nachmittag verteilen möchte.
Leon öffnete einen Sack mit einem skeptischen Blick.
»Ein Holzpferd? In echt jetzt? Was ist mit nachhaltigem Plastik oder wenigstens NFTs?«
Der Weihnachtsmann war sichtlich irritiert.
»Wir machen Kinderträume wahr, nicht … was auch immer das ist.«
Leon zückte sein Smartphone.
»Ich starte eine Umfrage auf Instagram: Wer will schon noch Holzpferde an Weihnachten? Sind Holzpferde noch up to date? # Holzpferd:
An den Weihnachtsmann gewandt: »Geh mal mit der Zeit, Santa!«
Der Weihnachtsmann und Leon verließen die Werkstatt und gingen zum Schlitten.
Rudolf, das Rentier, war schon angespannt. Leon ganz empört: »Warum nimmst Du keine Drohne zum Ausliefern, Boomer? Was ist mit Tierschutz! Wo sind die elektrischen Schlitten? Und warum trägt Rudolf keine reflektierende Sicherheitsweste?«
Der Weihnachtsmann seufzte und verdrehte die Augen.
Leon nahm einen kräftigen Zug aus seinem Joint und blies den Rauch genüsslich zu Rudolf. Rudolf fing an zu schniefen und mit den Hufen zu scharren.
»Will Rudolf etwa schon los, Santa?«, fragte Leon. »Recht ungeduldig, der Junge.«
»Nein«, antwortete der Weihnachtsmann, »Rudolf verträgt Deinen Cannabisgestank nicht.«
»Da kann Rudolf schiefen und mit den Hufen scharren, wie er will. Er muss diesen Geruch ertragen. Karl hat Cannabis in Stein gemeißelt.«
Der Weihnachtsmann holte Luft und atmete tief durch.
»Santa«, sagte Leon, »komm zu Rudolf und mir. Wir müssen ein Selfie machen. Ich brauche einen Nachweis für die Queen Lady vom Amt. Sie will schon auch sehen, dass wir gemeinsam schaffen.«
Und beiläufig fügte er hinzu:
»Dein Workflow, Santa, ist echt eine Katastrophe. Keine Drohne im Einsatz. Keine KI. Das ist nicht up to date. Das ist nichts für mich. Außerdem habe ich Rücken. Aber es ist eine coole Story für meinen Feed.«

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von rubber sole am 21.12.2024:
Kommentar gern gelesen.
Gute Geschichte: Ja, so könnte Santa 2.0 aussehen, Ernst. Vermutlich läuft alles auf ein Leben in Parallel-Universen hinaus. Leider werden Boomer+ demnächst Geschichte sein und werden nicht mehr erleben dürfen, wie GenZ ihren legitimen Nachfolgern, (GenZ)² ,Traditionen erklärt - und das nicht nur zur Weihnachtszeit!

lgrs




geschrieben von Jens Richter am 21.12.2024:
Kommentar gern gelesen.
Hallo Ernst Paul,
da hast Du Dir wieder eine sehr witzige Geschichte ausgedacht.
Ich habe sie sehr gern gelesen.
Und an rubber sole, ich kann Dich beruhigen. Unsere Firma hat derzeit wieder Lehrlinge eingestellt, die auch ihr (das) Handwerk lernen wollen.
Sie brennen für ihre Arbeit.
Vielleicht erleben wir gerade eine Rückbesinnung auf traditionelle Berufe.
Viele Grüße von Jens




geschrieben von Bad Letters am 21.12.2024:
Kommentar gern gelesen.
Als ich zur „Generation XYZ“ gehörte Ernst, standen wir mit unserer Lebenseinstellung auch in der Kritik. Ist es nicht immer so, dass die Jugend in der Kritik steht, weil sie neue Ideen, andere Träume haben? Zum Glück ist jede Jugend irgendwann noch aufgewacht, wir dürfen also noch Hoffnung haben. Der Text gefällt mir trotzdem sehr gut!

MfG
Bad Letters


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