Veröffentlicht: 29.12.2024. Rubrik: Satirisches
Verbranntes Geld
Der Jahreswechsel ist ein Moment der Besinnung, des Aufbruchs und der Hoffnung. Begangen wird er mit einem riesigen Feuerwerkspektakel in allen Herrenländern. Danach sieht die Welt aus, wie nach einem riesigen Vulkanausbruch. Milliarden Euro werden in Böller, Raketen, Wunderkerzen und in die Nerven der Nachbarn investiert. Doch warum? Dazu gibt es nur eine Erklärung: Die Menschen lieben es, Geld zu verbrennen.
Für die Silvester-Enthusiasten ist es ein Moment höchster Erregung.
Dass 50,– € in nur drei Sekunden als bunte Sterne am Himmel erscheinen, sind für sie absolute Höhepunkte. Der Flug wird begleitet mit einem langen „aaah“ und endet in einem abrupten Orgasmus.
Die Pyrotechnikfanatiker rufen lauthals: „Welch wunderbares Zeichen der Freude“. Freude für wen?
Der Ultra-Pyromane aus dem Fußballstadion, der an Silvester seine Passion ausleben kann, freut sich ganz sicher. Auch der Aktionär, der sein Geld in Schwarzpulver investiert hat, freut sich über üppige Gewinne.
Ein Notfallchirurg hat weniger Freude an seinem Beruf. Auf Notoperationen nach unsachgemäßem Einsatz von Böllern und Raketen verzichtet er nur allzu gern.
Der sonst so vorlaute Hund des Nachbarn empfindet ebenfalls keine Freude an dieser Böllerei. Er verkriecht sich ängstlich unter der Couch.
Der Wirtschaftsminister jedoch jubelt: „Wir werden die Altersbegrenzung für den Verkauf von Feuerwerkskörpern aufheben. Dadurch stärken wir den Handel. Das ist auch ein Weg aus der Rezession.“ Stimmt. Der chinesische Schwarzpulver-Export boomt, und der lokale Fensterreparaturservice kann sich vor Aufträgen nicht retten. Das Bruttosozialprodukt bekommt einen Adrenalin-Kick.
Die Umweltschützer versuchen jedes Jahr aufs Neue, mit Appellen, Studien und Vernunft an das Gewissen der Menschen zu appellieren. Doch, wer braucht schon saubere Luft?
Geiler ist es, „Verbundfeuerwerke mit 200 Schuss“ im Discounter zu kaufen und sie dann in die Luft zu ballern. Schließlich sind wir alle irgendwie pyromanische Künstler. Es ist uns eine Freude, den Nachthimmel für 20 Minuten in ein chaotisches Farbenmeer zu verwandeln.
Scheiß auf die Umwelt.
Die Stadt sieht aus wie ein Schlachtfeld. Der Schädel des Pyromanen dröhnt vom Billigsekt. Die durch Feinstaub belegte Stimme kräht heiser: „War das wirklich nötig?“, und lallt im gleichen Atemzug: „Warum hat die Straßenreinigung den Müll bisher nicht entsorgt?“.