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4xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Kargut (Kargut).
Veröffentlicht: 26.09.2024. Rubrik: Unsortiert


Der Maßkrug

Hätte man mich vor meiner Geburt gefragt, was ich einmal werden will, dann hätte ich alles geantwortet, nur nicht „Maßkrug“. In der glühenden, flüssigen Masse der Glasschmelze hoffte ich, als eine dekorative Obstschale oder Blumenvase das Licht der Welt zu erblicken. Gefüllt mit frischen Blumen oder Früchten, an einem exponierten Ort in der Wohnung zu stehen und immer wieder bewundert zu werden. Aber das Schicksal traf mich hart: Mensch formte aus mir einen Bierkrug für das Oktoberfest, mit einem Gewicht von 1300 Gramm. Grazil sieht anders aus.
Die ersten Monate meines neuen Lebens fristete ich in einem dunklen Karton, zusammen mit 5 Brüdern. Wir Maßkrüge sind eine reine Männergesellschaft, auch wenn man in Bayern von „Die Maß“ spricht. Die Finsternis und Stille drohte uns schwermütig werden zu lassen. Einer meiner Brüder rief verzweifelt: „Mir ist so langweilig“. Dann herrschte wieder diese grässliche Ruhe. Nach einer gefühlten Ewigkeit fragte ein zweiter : „Kennt Ihr den ? Es gab einen Glaser, der 34 Fensterscheiben erneuerte, bevor er merkte, dass er einen Sprung in der Brille hatte.“ Schallendes Gelächter ertönte im Sextett. Dann legte mein Bruder nach: „ Oder den : Sagt der Ober zum Gast „Ihr Glas ist leer. Möchten sie noch eins ?“ Antwortet der Gast:“ Nein, was soll ich denn mit zwei leeren Gläsern“. Erneut folgte ein lautes Prusten und Lachen. Jetzt fielen auch den anderen Krügen mehr oder weniger lustige Glaswitze ein, die sie zum Besten gaben. Erschöpft schliefen wir ein, wobei immer wieder ein leises Kichern zu vernehmen war.
Und dann kam der Tag der Tage. Mensch befreite uns aus der Dunkelheit und bescherte jedem Krug ein Wellnessbad mit Massage. Wir strahlten und fühlten uns wie neu geboren. Mit den Worten „O zapft is“ begann Mensch uns mit kühlem Bier zu füllen. Endlich hatte unser Leben einen Sinn. Eine attraktive Wiesnbedienung drückte 10 von uns an ihre Brust. Ach war das herrlich. Unter ihrem weichen, warmen Busen konnte ich ganz deutlich den Herzschlag wahrnehmen. Auch ihr fester Griff, mit den kräftigen Händen, hatte absolut nichts Grobes. Ich fühlte mich bei ihr geborgen und war fast ein bisschen traurig, als sie mich in die Obhut eines durstigen Gastes übergab. Mit lautem Gebrüll „ein Prosit“ knallte er mich gegen meine Brüder. Einer nach dem anderen stieß mit mir zusammen und ich flehte „ wann hört das denn endlich auf !“ Nachdem das Wort „Gemütlichkeit“ zu Ende gegrölt war, wurde ich endlich an den Mund geführt und fast zur Hälfte geleert. Eine zarte Dame griff nach mir, beinahe zärtlich, mit zwei Händen und nippte verhalten an meinem Inhalt. Wie eine Wiedergutmachung, für die schmerzhaften Kollisionen zuvor, wirkten ihre Berührungen. Schon bald darauf war mein Inhalt verdunstet oder ausges… ehm ausgetrunken. Die von mir angebetete Bedienung drückte mich wieder an ihren weichen Vorbau und setzte mich im Spa-Bereich ab. Brrrr, das 12 Grad kalte Wasser in der Spülmaschine hatte mit Wellness wenig zu tun. Schnell reichte man mich zu einem der vielen Zapfhähne weiter, dann zur Bedienung, zum Gast und so weiter und so weiter. Fünf bis sechsmal am Tag, 16 Tage sollte das so weitergehen: „ Das überleb ich nicht“. Sprachs und zerschellte auf dem Boden.

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