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2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Kargut (Kargut).
Veröffentlicht: 01.08.2024. Rubrik: Fantastisches


Fliegen ( Monatsthema August )

Nach einer zweistündigen Wanderung in den Bergen, lege ich mich ins Gras und träume. Mein Körper hebt langsam von der Wiese ab – ich fliege. Schwerelos gleite ich durch die Lüfte. Kein Schuh der drückt, kein Hallux, der mir zuruft: „Ich will hier raus!“, womit er Schusters Rappen meint. Die Thermik trägt mich immer höher, die Stille schärft meine Sinne – was für ein Panorama. So, wie ein Collier an einem Damendekoltee, so schmiegen sich die Wanderwege an den Berg. Das Schimmern eines kleinen Bachs im Tal wirkt wie eine Bordüre, Almhütten und Kühe wie filigrane Stickereien in dem monumentalen Ganzen. Bisher schauten die Baumwipfel immer auf mich herab, heute bin ich es, die sie von oben betrachtet.
Ich schwebe, mit all meinen Sinnen, meine Arme sind mein Lenkrad. Ich beobachte unbemerkt ein Ehepaar aus luftiger Höhe, das die Wanderung komplett unterschiedlich wahrzunehmen scheint. Er ruft strahlend „Schau mal Schatz, da drüben sieht man den Chiemsee“. Sie antwortet mit hochrotem Kopf: „Ja, von mir aus“. Warum in aller Welt, machen Menschen in ihrer knappen und kostbaren Freizeit Dinge, die ihnen absolut zuwider sind, geht es mir durch den Kopf. Es gibt doch dieses kleine Wort, mit vier Buchstaben: „Nein“. Aber das soll nicht mein Problem sein. Ich fühle mich im siebten Himmel und lasse mich weiter treiben. Ein mächtiger Geier umkreist mich. Dabei zwinkert er mir süffisant zu und ruft:“ Na Kleine, haste Dich verflogen ?“ „Je oller, je doller“, denke ich bei mir. Aber warum soll es dem Geier besser gehen als mir ? Eine Dohle ist von meinem Anblick so irritiert, dass sie fast gegen einen Felsen geprallt wäre. Wütend pfeift der schwarze Tollpatsch mir etwas zu, was ich aber zum Glück nicht verstehe.

Junge Gämsen springen übermütig umher und nutzen ihre kleinen Geweihe für ein erstes Kräftemessen. Ein Murmeltier scheint mich mit einem Greifvogel zu verwechseln, richtet sich kurz auf, stößt einen Warnruf für die Sippe aus und verschwindet in seinem Bau.
Ich fühle mich privilegiert und glücklich, dass ich den Traum vom Fliegen durchleben darf. Wie gerne würde ich diese Eindrücke mit anderen teilen. Ich fürchte nur, man würde mir nicht glauben. Der Schalk in meinem Nacken wird hellwach und erzeugt kurz – wirklich nur ganz kurz – Bilder vor meinem inneren Auge, bei denen ich mich über den Köpfen von bestimmten Menschen erleichtere, wie eine Taube. Aber nein, pfui, so was macht man nicht, auch wenn mir bei dem Gedanken mehrere Namen einfallen und ich schadenfreudig lachen muss.
In meinem Traum nehme ich die eindeutigen Vorteile des Fliegens wahr: ein Leben ohne Stolperfallen und Tretmienen von Hunden und sicherlich auch ohne Fettnäpfchen, in die ich immer wieder hineintrete. Egal wie gut sie auch versteckt sind – ich finde sie, was mein Leben nicht zwingend leichter macht. Nie wieder an Fußgängerampeln stehen bleiben müssen, obwohl ich es eilig habe und nie wieder nach Blasenpflastern suchen, weil ein neuer Schuh doch irgendwo scheuert, obwohl er bei der zweiminütigen Anprobe im Geschäft so bequem war. Ich wäre komplett frei.
Plötzlich spüre ich etwas in meinem Gesicht. Es fühlt sich an, wie ein rauer, feuchter Küchenschwamm, den es aber definitiv nicht in der Luft geben kann. Dann ein „Muuh“ und ich bin wieder hellwach. Eine Almkuh hat mich aus meinen luftigen Träumen gerissen und für eine eher unsanfte Landung in der Realität gesorgt. Schade, ich wäre gerne noch etwas weiter geflogen.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Ernst Paul am 01.08.2024:
Kommentar gern gelesen.
Da fliege ich gern mit. Gern gelesen.




geschrieben von Babuschka am 01.08.2024:
Kommentar gern gelesen.
Eine wunderschöne und lustige Phantasiereise!
Mit lieben Grüßen, Babuschka

Mein Tipp: Wenn du deine Geschichte unter Kurzgeschichten-Aktionen gepostet hättest, dann würden die anderen Teilnehmenden sie leichter und länger finden ;-)




geschrieben von Kargut am 01.08.2024:

Danke Babuschka.

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