Eiszeit

Die Hitze macht mir zu schaffen. Ich brauche keine Temperaturen über 25°C. Heute ist es besonders schlimm. Noch nicht einmal ein Hauch von Wind, der die Luft zum Zirkulieren bringen könnte, ist zu spüren und auch die Wolken haben Reißaus genommen. Aber trotz Allem komme ich auf die verwegene Idee, in die Innenstadt zu fahren – Endstation Viktualienmarkt. Ziellos schlendere ich über den Markt und beobachte die bunte Schar an Besuchern und Verkäufern. Früchte aus aller Welt, zu Preisen, die nicht von dieser Welt sind, lächeln die Passanten verführerisch an. „Heute nicht, ihr Früchtchen, heute brauche ich Abkühlung: Eis“. Merken Sie, wie sich ein Lächeln in Ihrem Gesicht breit macht, wenn Sie dieses Wort aussprechen ? Die Mundwinkel wandern in Richtung Ohren und der Speichelfluss nimmt zu. Eis, was könnte köstlicher sein, an einem Tag wie heute ? Ich erreiche den Eisstand und sehe, dass sogar noch ein Schattenplatz für mich frei ist. Besser geht nicht. Mal schaun‘, welche Sorten heute zur Auswahl stehen: Weiße Schokolade mit Himbeeren – hier fehlt das Warnschild mit dem Hinweis auf Suchtgefahr. Joghurt Mandarine – kenne ich noch nicht, ist also gebongt. Und als Zweites: Himbeer-Champagner oder Walnuss-Feige ? Ich entscheide mich für Letzteres und nehme das Angebot dankend an, einen Löffel Himbeer-Champagner zu kosten. In dem Moment, als ich den kleinen Plastiklöffel abschleckte und die rosafarbene Creme auf meiner Zunge zergehen lasse, tanzten meine Geschmacksnerven Tango. Die fruchtige, säuerliche Kühle in meinem Mund ist mindestens genauso sinnlich, wie der argentinische Nationaltanz.
Ich hauche ein leises „Hmmm“ vor mich hin und schließe die Augen. Langsam wandert der köstliche Schmelz weiter in meine Speiseröhre und macht Lust auf mehr. Behutsam tauche ich den Plastiklöffel in die Sorte Mandarine-Joghurt, streife den kleinen „Eisberg“ mit meinen Lippen ab und warte auf das Urteil meiner Zunge. „Hervorragend“ , haucht sie. „So schön cremig, leicht säuerlich aber auch fruchtig“. Die Geschmacksnerven werden unruhig und rufen dazwischen: “Zugabe, Zugabe“. „Ist ja gut“, beruhige ich und lasse schnell einen weiteren Löffel folgen, und noch einen und noch einen – bis mein Plastiklöffel vergebens an den Wänden des Bechers kratzt. Leer ! „Schaaade,“, sagt der verwöhnte Gaumen. Und „Endlich“, mein Magen, den ich für eiskalte Speisen und Getränkte absolut nicht begeistern kann. Man kann es halt nicht jedem Recht machen, aber geschmeckt hat es trotzdem

Weitere Kurzgeschichten von diesem Autor: