Veröffentlicht: 10.07.2024. Rubrik: Persönliches
Naturtalent
Wenn es darum geht, sich bei Mitmenschen unbeliebt zu machen, so verfügen einige Erdenbürger über ein wahres Naturtalent. So wie ein ehemaliger Nachbar – Dr. Bin Laden ( oder so ähnlich ).
Um halb Zwei kam er mit einigen Freunden und einem Umzugswagen an. Nein, nicht um halb Zwei mittags – es war nachts – mitten in der Woche. Das Poltern konnte man auch bei dem besten und tiefsten Schlaf nicht überhören und falls es doch jemanden gab, der davon noch nicht aufgewacht war, so legte die Truppe mit lauten Anweisungen im Treppenhaus nach: „nach links – wumms ( irgendwo war man angestoßen ) stopp – Vorsicht – wieder wumms, ja, so ist’s gut“. Nacheinander öffneten sich die Türen der anderen 11 Wohnungen: „Was ist denn hier los ?“ „Ich ziehe hier ein“, sagte der adlige Herr, als wäre es das normalste auf der Welt – und Loriot hätte geantwortet „aber doch nicht um diese Uhrzeit“. Da er das Wort „Entschuldigung“ nicht zu kennen schien, konnte er es auch nicht verwenden und wenn er es gekannt hätte, dann sah er keinen Grund es zu tun.
Ich versuchte nicht nachtragend zu sein und einen Strich unter das Kapitel „Einzug“ zu ziehen, da vernahm ich um halb elf ein lautes Hämmern und Klopfen, als würde jemand Fliesen von einer Wand abschlagen. Und auch hier war es nicht um halb elf mittags, sondern nachts. Ich zählte bis zehn, holte tief Luft und ging ins Treppenhaus um zu lokalisieren, welcher Vollhorst um diese Zeit seine Wohnung saniert. Eigentlich hätte ich mir die Frage nach dem „Wer“ sparen können, denn ich kannte meine Nachbarn gut und wusste, dass von ihnen niemand zu so etwas in der Lage gewesen wäre. Blieb also nur Einer - der Neue. Ich klingelte an seiner Haustür – keine Reaktion. Ich klingelte erneut – keine Reaktion. „Aha, feige ist er also auch noch, der feine Herr“, dachte ich und spürte, wie mein Blutdruck sich der 200er Marke näherte. Ich drückte den Daumen auf den Klingelknopf und lies nicht mehr los. Jetzt hörte ich Schritte. „Na, geht doch“, sagte ich zu mir. Die Tür öffnet sich einen Spalt und ein Frauenkopf schaute um die Ecke. Ich ließ sie erst gar nicht zu Wort zu kommen, sondern konfrontierte sie direkt mit der Hausordnung, die besagt, dass Arbeiten dieser Art nach 18.00h nicht mehr erlaubt sind. Der Frauenkopf – mehr bekam ich von der Person nicht zu sehen – grinste spöttisch und fragte mich “Was arbeiten sie denn schon, dass Sie um 18.00h ihre Ruhe brauchen ?“ Das war zu viel und ich antwortete nur noch „Was ich arbeite, das geht Sie einen Feuchten an, und wenn Sie nicht unverzüglich mit diesem Lärm aufhören, dann rufe ich die Polizei.“ Ich hatte noch nicht ausgesprochen, da flog mir die Tür entgegen und mit einem lauten „Wumms“ ins Schloss.
Mit der Zeit merkte ich, dass das Türenzuschlagen nichts mit meinem nächtlichen Besuch zu tun hatte. Der neue Nachbar tat es grundsätzlich und das hatte den Vorteil, dass jeder im Haus sofort wusste: Dr. Bin Laden ist zu Hause und wird gleich wieder sein Klavier und unsere Ohren malträtieren. Offensichtlich schlug er mit beiden Händen gelichzeitig auf die Tastatur und bewies uns, dass er nicht nur rücksichtslos sondern auch vollkommen unmusikalisch ist.
Alle Hausbeohner waren sich einig: Diese Familie sollte einen Ratgeber schreiben „ Wie mache ich mich unbeliebt“. Jeder Leser wäre überzeugt, dass es sich um eine Satire handelt und niemand käme auf die Idee, dass diese Lektüre auf Tatsachen basiert. Meine Hoffnung auf eine bessere Nachbarschaft war zwar massiv gesunken aber noch nicht ganz gestorben. Erfüllt wurde sie an dem Tag, als sich im Haus die Nachricht verbreitete: Dr. Bin Laden zieht aus.