Veröffentlicht: 28.07.2024. Rubrik: Satirisches
Endlich Urlaub
Raus aus der Tretmühle des Alltags und endlich erholen. Die Koffer werden gepackt und der Herr des Hauses ruft:“ Schatz, wo ist mein beiges Hemd ?“ „Bei der Wäääsche,“ flötet die Hausfrau in seine Richtung. „Och nööö, ausgerechnet mein Lieblingshemd. Das wollte ich doch mitnehmen.“ „Dann nimm halt das blass gelbe“. Das geht ja gut los. Während Pappi seine Sporttasche locker schließen kann, ruft Mutti:“ Schatz, ich krieg den Koffer nicht zu. Kannst Du mir bitte helfen.“ Ihm fehlen die Worte. Seine Frau sitzt auf einem schrankkoffer-ähnlichen Gepäckstück, aus dem an allen Seiten Kleidungsstücke herausquellen. „Willst Du auswandern ?“, fragt er entsetzt. „Wir bleiben doch nur 2 Wochen“. „Ja, aber ich konnte mich nicht entscheiden und man weiß ja auch nie wie das Wetter wird. „Die Daunenjacke kannst Du hier lassen“, lästert er grinsend. “ Das Töchterlein ruft:“ Darf ich auch meinen Roller mitnehmen ?“ „Neien“, hallt die Antwort in stereo durch die Wohnung. Das Familienoberhaupt geht ins Kinderzimmer und sieht 23 Plüschtiere, Eimerchen, Schaufel und einen Kinderkoffer aufgereiht. „Ach Engelchen, Du kannst doch nicht all‘ Deine Plüschtiere mitnehmen.“ „Es sind doch nicht alle, schau“, sagt die kleine Prinzessin und zeigt auf ihr Bett und die Regale. Stimmt, mindestens weitere 46 sitzen und liegen dort. „Wenn ich Teddy mitnehme, dann muss das Einhorn auch mit, sonst ist es traurig. Und die Barbiepuppe hat Angst und, und, und.“ „Schluss“, beginnt der Versuch des Hausherrn, ein Machtwort zu sprechen. „Eine Puppe oder ein Plüschtier, mehr nicht.“ Der Vergleich mit Sirenengeheul wäre maßlos untertrieben, bei dem Wehklagen des Kindes. Sie schmiegt sich an die Schulter des Vaters - „Bütte, bütte, Pappi !“ und schaut ihn dabei mit ihren blauen Äuglein flehend an. Mit ihrer vierjährigen Lebenserfahrung weiß das Töchterchen genau, welche „Knöpfe“ sie drücken muss, um den Vater von ihrer Meinung zu überzeugen. „Na, gut. Aber nicht mehr als 3“, lautete der Kompromiss des Hausherrn. „Danke, Pappi“, triumphierte das Kind, drückt Pappi einen dicken Schmatz auf die Wange und 3 Plüschtiere auf den Koffer. Eine Reservepuppe packte sie ein, ein Plüschtier klemmt sie unter den Arm.
Mit hochrotem Kopf befördert der Herr des Hauses, den Koffer der Dame des Hauses zum Auto. Ein Gabelstapler wäre jetzt nicht schlecht, ging es ihm durch den Kopf, als er versucht, das prall gefüllte Etwas in den Kofferraum zu hieven. „Autsch, mein Rücken !“ stöhnt er und richtete seinen Oberkörper in Zeitlupe wieder auf. Geschafft ! Allerdings geht jetzt der Kofferraumdeckel nicht mehr zu. Sitzbank umlegen, Hutablage raus, drücken, rücken, quetschen – passt !
Um 7Uhr morgens klingelt der Wecker. Kühltasche und Thermoskanne füllen. Sicherungen aus, Alarmanlage ein, alle Fenster überprüfen und schon geht’s los. Urlaub ! Erholung ! Mann und Frau seufzen glücklich und fahren los, so wie tausende anderer Erholungssuchende. Zwei Stunden und 30km später scheint die Geduld des Kindes bereits ausgereizt. Mir ist langweilig ! Wann sind wir denn endlich da ? Ich hab‘ Durst und mitten im Stau: “Ich muss mal“. „Das geht jetzt nicht, Schatz“, versucht die Mutter zu beruhigen. Der Vater hat den ersten Krampf im Fuß vom Stop und Go-Fahren und erreicht bereits 30 Minuten später die Ausfahrt zu einer Raststätte.
Zwölf Uhr, die Sonne brennt wie ein Flammenwerfer vom Himmel. Trotz Klimaanlage sind die Temperaturen im Auto unerträglich. Das Kind liegt auf der Rückbank. Hoffentlich ist sie nur eingeschlafen.
Dreizehn Uhr. Die Nerven des Fahrers liegen blank. Warum soll es ihm anders gehen, als all den anderen Wagenlenkern ? Das Schild, das auf einen Rastplatz nach 10km hinweist, verleiht ihm neue Kraft. Nichts wie runter von der Autobahn und raus aus der Kiste. Behutsam lassen sich die Beine wieder in ihre natürliche Position bringen. Die Gesäßteile jubilieren. Oh, wie tut das gut ! Vor den Toiletten hat sich ein ähnlich langer Stau gebildet, wie auf der Autobahn.
Komisch, man gewöhnt sich an so Vieles, aber nicht an Staus. Einige Männer erleichtern sich in Mutter Natur. Bei den Frauen heißt es: durchhalten !
Als die Familie , nach rund 20 Minuten, zum Auto zurückkehrt überreicht er seiner Frau den Schlüssel. „Jetzt darfst Du fahren.“ Sie öffnen die Tür und weichen sofort wieder einen Schritt zurück. Die Temperatur im Inneren entspricht der, einer finnischen Sauna. Er nimmt auf dem Beifahrersitz platz und denkt:“ So muss sich eine Pommes in einer Heißluftfritteuse fühlen.“
Alle Fenster auf, Klimaanlage auf MAX, aber die Hitze im Innenraum will partout nicht weichen. Augen zu und durch. Auto starten und weiter.
Italia ist bereit von Weitem auf einem Schild zu lesen, was der Familie einen mentalen Frischekick verleiht. Das mit der Frische ist auch wichtig, denn die Temperaturen sind hier nochmals höher, als zu Hause, was aber für Viele auch als Voraussetzung für einen gelungenen Urlaub gilt.
Kurz vor Sonnenuntergang ist das Ziel erreicht. Ein Zimmer, mit Blick auf den Hinterhof, ein überfüllter Strand, bei dem sich Mutti und Vati für17 EURO pro Tag zwei Liegen und für 12 EURO einen Sonnenschirm gönnen. Eine Zeitung müssen sie nicht kaufen, die können sie beim Nachbarn mitlesen, so dicht liegt dieser neben ihnen. Damit sie in Sachen Stau nicht aus der Übung kommen, darf sich die Familie bei den Mahlzeiten an einem Buffet bedienen – zusammen mit weiteren 200 Gästen.
Nur noch zehn Tage, dann sind wir wieder zu Hause, trösten die Eltern ihre Tochter, die bereit nach vier Tagen fleht: „Ich will wieder Heim“. Die Heimreise verläuft fast zügig – in nur 10 Stunden kann die Familie die Rückreise bewältigen. Zum Glück hat Vati noch eine Woche Urlaub, in der er sich daheim erholen kann. In einem 350m2 großen Garten, den sie ganz für sich alleine haben, ohne auch nur einen Cent für Liegestuhl und Sonnenschirm bezahlen zu müssen. Kein Anstehen beim Essen, keine grölenden Urlauber mitten in der Nacht. „Was haben wir es doch gut !“ sagt der Hausherr. Mal schaun‘, wo wir im nächsten Jahr hinfahren.