Die Liebe zu Allem

Im tiefsten Schlund der Qualen wurde ich geboren, im Rachen alles Bösen, dass vom ersten Herzschlag mein Begleiter war. Es gab kein Entrinnen, so schnell ich auch lief, der Schatten des Bösen haftete untrennbar an mir. Ich wurde zuerst nur gemieden, aber heranwachsend verbannte man mich dorthin, wo angeblich niemand allein des Lebens glücklich werden konnte, wenn er nicht sogar den Tod fand. Ich trotzte meinem Schicksal und in der Einsamkeit meines Seins, verlor das Böse langsam seine Kraft, bis ich begriff, dass nicht ich das Böse war, sondern das Böse nur an mich herangetragen wurde.

In den Armen von Mutter Natur heilten langsam meine Narben und sie verlieh mir die Kraft eines jungen Bären. Der Wolf war nicht länger mein Feind, sondern Weggefährte und mit dem Verstehen seines Wesens keimten erste Triebe von zarter Zuneigung und Geborgenheit. Im Wechselspiel der Jahreszeiten zogen wir gemeinsam durch unberührte Natur, die nie die zerstörerische Kraft des Bösen kennengelernt hatte und in der nur das Lied vom Wachsen und Vergehen erklang. Der Wind verteilte die Samen der Frucht und der Regen ließ sie wachsen. Das Feuer reinigte, und die Erde war der Filter, der alles Gift zu Nährstoff werden ließ.

Die Jahre vergingen und langsam wurde ich ein Teil dieser Gemeinschaft. Der Hirsch verlor seine Scheu vor mir und der einstige Erzfeind in seinem Reich wurde ihm zum Bruder, der ihm über den Winter half, wenn das Futter knapp wurde. Im Frühling war ich Geburtshelfer und Beschützer von denen, die meines Schutzes bedurften, bis sie auf eigenen Beinen dem Wunder des Lebens entgegenlaufen konnten. All das ließ mich zu dem werden, was einst der Inbegriff eines Menschen war. Der sich im Nehmen und Geben als Teil des großen Ganzen verstand und mit diesem Werden verging meine Traurigkeit und an seiner Stelle erblühte die Liebe zu Allem.

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