Veröffentlicht: 29.06.2024. Rubrik: Menschliches
Notlage im Straßenverkehr
Schwülwarm fordert der Sommer die Klimaanlage heraus und ringt sie nieder, meine Arme kleben bereits am Schreibtisch fest, und als ich schaue, was auf meiner Agenda für die nächsten Tage steht, ist nichts dabei, was in irgendeiner Form dringend abgearbeitet werden müsste. Das sind genau die richtigen Voraussetzungen, dass mein Elektrizitätswerk unter meiner Schädeldecke die Idee ausspuckt, „Was machst du eigentlich noch hier im Büro? Fahr doch nach Hause, schreib ne Story die niemand braucht oder leg dich auf die faule Haut!“. Vorschlag angenommen!
Ab in die Tiefgarage und als mich dort die Kühle erreicht, könnte ich mich glatt schon hier hinlegen. Aber nix da, ab ins Auto und ab nach Hause. Ich fahre in Richtung Innenstadt, weil das um die Uhrzeit der schnellste Weg ist. Auf der Hauptstraße angekommen, glaube ich meinen Augen nicht zu trauen. Das kann doch jetzt wohl nicht wahr sein! Ich steige umgehend wie ein Ochse in die Eisen, mache eine Vollbremsung und schalte gleichzeitig die Warnblinklichtanlage an. Reiße die Tür auf und wäre schon losgespurtet, hätte ich nicht vergessen, mich abzuschnallen. Ich erwürge mich mit dem Gurt fast selbst, aber das ist zu verschmerzen, wenn man die Notlage des jungen Mannes bedenkt, den ich fest im Blick habe.
Schnell abgeschnallt und flotten Schrittes rüber zu dem Jüngling, während hinter mir schon der erste Idiot hupt und eine unschöne Zeichensprache von sich gibt. Der Volltrottel hat wohl noch nie etwas von Erster Hilfe gehört und dass man per Gesetz dazu verpflichtet ist. Der junge Mann schaut mich freudig an, dass ihn ein Mensch beachtet und nicht einfach links liegenlässt. „Wie geht es dir Junge, alles gut?“ spreche ich ihn vorsichtig an. Sein Blick wirkt etwas verwirrt, was angesichts der Temperaturen nicht weiter verwunderlich ist. „Ja klar, wieso auch nicht!“ antwortet er fragend. „Kein Fieber, Orientierungslosigkeit, Panikattacken?“ versuche ich ihm seinen Zustand zu entlocken. Ich schau ihm dabei tief in die Augen, um mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Die Huperei hinter uns vermehrt sich stetig und inzwischen wird auch das Versagen, von Erziehungsmaßnahmen einiger Elternhäuser der Verkehrsteilnehmer, durch übelste Beschimpfungen eindeutig belegt.
Doch unbeirrt des Getöses um uns herum, fahre ich mit meiner Diagnose fort und frage noch einmal mit fester Stimme und väterlichem Ton nach. „Bist du dir auch wirklich sicher Junge?“. „Ey, Alter, was willst du eigentlich von mir, hast du sie nicht mehr alle?“ werde ich jetzt überraschenderweise übelst angeblafft, aber ich lasse mich nicht irritieren. „Damit ist nicht zu spaßen Junge, wo hast du es?“ frage ich jetzt energischer, um meiner Hilfsbereitschaft Nachdruck zu verleihen. „Wo habe ich was Alter?“. „Na, dein Handy, du kannst doch in der heutigen Zeit nicht einfach ohne Handy vorm Gesicht rumlaufen, sowas macht man nicht mehr. Das macht doch auf Dauer sicher krank!“