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2xhab ich gern gelesen
geschrieben von Bad Letters.
Veröffentlicht: 24.06.2024. Rubrik: Menschliches


Der Hater

Er zieht seine Kapuze noch tiefer ins Gesicht, als wenn er Angst verspürte, entdeckt zu werden. Dabei kauert er bereits sein halbes Leben lang wie eine Ratte in seinen vier Wänden, die selbst ein Kammerjäger nur widerwillig betreten würde. Hier wurde nie wirklich gelebt, hier gebiert nur Hass seine Worte.

Der Bildschirm flackert im 60 Hz Takt in die Dunkelheit und die Beleuchtung ist nicht minder armselig, wie die Seele, die hier ihr dahinsiechendes Dasein fristet. Er hat längst seinen wahren Namen vergessen, aber Niedertracht würde ihm gut zu Gesicht stehen.

Im Netz nennt er sich „VonReinemBlut“ oder „RassenMaximus“, manchmal auch „Ariane“ oder „Walküre“ wenn er als Frau zu schreiben pflegt, um seine wahre Identität zu verschleiern. Das gelingt ihm gut! Kein Mensch der ihm tagsüber, mit seinen abgekauten Fingernägeln und seiner schmierigen Frisur, hinter der Kasse an der Tankstelle begegnet, würde auf die Idee komme, dass ihm gegenüber, einer der intelligentesten und menschenverachtendsten Individuen sitzt, die dieser Planet aufzubieten hat.

Wie gemein konnte das Leben sein, ihm einen brillanten Geist zu schenken, aber völlig unfähig, am normalen Leben und an der Gemeinschaft teilzunehmen. In seinen Träumen spricht er vor riesigen Menschenmassen, wobei jedes Gespräch an der Kasse für ihn bereits eines zu viel ist.

Aber im Internet, da folgen sie ihm, in Scharen, wenn sie nur wüssten! Konzentriert spielt er die neuesten Updates auf seinen Computer, die Sicherheitslücken schließen und dafür sorgen sollen, dass er auch zukünftig physikalisch unauffindbar, im Dark Web, bleibt. Sein Überleben hängt davon ab, also investiert er in neueste Hard und Software.

Lächelnd startet er nach erfolgreicher Aktualisierung sein System neu, bevor er sich all seine Gehässigkeit hochwürgt und ins Netz kotzt. Seine Jünger warten nur auf seine Tiraden und Spott, seiner Verklärung der Wirklichkeit, und seinen Zukunftsträumen, von denen er selbst hofft, sie mögen nie eintreten. Denn er wäre der Erste, den man in dieser Welt ohne einen Funken Mitleid entsorgen würde!

In dieser Welt wäre kein platz für die Schwachen und Empathie fände nur noch im Geheimen statt. Hier wird eine Zukunft heraufbeschworen, die in der Geschichte immer nur dem Untergang geweiht war. Wie kann man nur so intelligent sein und gleichzeitig außer Acht lassen, dass ein Leben in Angst und Schrecken keine Ewigkeit in sich trägt?

Ein Knall zerfetzt seine Träume in tausend Teile und während er abgeführt wird, verzweifelt er bereits an dem Gedanken, wie sie ihm nur auf die Schliche gekommen sind. Es wird doch nicht etwa die geile Sau gewesen sein? Die ihn so offen beim Bezahlen anlächelte und wegen der er sich im WC sofort ein runterholen musste! Aber woher sollte sie irgendetwas über ihn wissen?

Oder war es einer der Kanaken-Pizzaboten, die manchmal so neugierig in seine verranzte Bude glotzten? Er würde im Knast genug Zeit haben, an diesen Fragen zu verzweifeln, so wie die Gesellschaft vorher an ihm!

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Gari Helwer am 02.07.2024:
Kommentar gern gelesen.
Der überwiegende Teil Deiner Geschichte gefällt mir sehr gut - nur den Schluss hätte ich mir anders vorgestellt! ;-) Lg




geschrieben von Bad Letters am 03.07.2024:

Hallo Gari Helwer,
ich ahne, was du meinst aber aus der Sicht des Protagonisten erschien mir das angemessen. Danke!

MfG
Bad Letters


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