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geschrieben 1987 von Rautus Norvegicus (Rautus Norvegicus).
Veröffentlicht: 17.03.2025. Rubrik: Total Verrücktes


Notbremse

Der Saal war gerammelt voll und es ging hoch her im Kölner 'Domhennes'; ein Bauwerk, das mit dem Essener Saalbau vergleichbar ist. Drei große Säle, die je ein Fassungsvermögen von 1000 Menschen hatten, zwei kleinere, die jeweils 500 Leuten Platz boten. Schließlich war da noch der „Kleine Saal“, den man wohlwollend Halle nennen konnte, denn viel mehr als ein ca. 300 Quadratmeter großes Zimmer war es nicht. Zudem war der Raum fensterlos, was eine permanente elektrische Beleuchtung nötig machte.

SatirepatzerSatirepatzerAber selbst wenn er sich die größte Mühe gegeben hätte, wäre es dem Architekten schwer gefallen, eine Lichtöffnung in die gut vier Meter starken Mauern der alten Burg zu brechen, auf deren Grundfesten der Kölner Domhennes erbaut worden war. Hätte er es nämlich endlich geschafft, würde er, bevor das Licht erreicht war, zuerst wieder fünfzehn Meter steil nach oben Erde abtragen müssen. Der Kleine Saal lag also weit unter der Erde.

Diesen Saal, bleiben wir mal bei der etwas hochtrabenden Bezeichnung, hatte im Jahr 1988 der als etwas zwielichtig geltende Kölner Karnevals-Verein 'Belzebub' angemietet, um dort in entsprechender Maskierung am Rosenmontag seinen Schabernack treiben zu können. Schon um zwanzig Uhr waren alle Mitglieder eingetroffen.

Es waren 77 Männer verschiedenen Alters, die sich in den Kleinen Saal drängten. 77 Mitglieder zählte der Verein deshalb, weil die Sieben seit jeher eine mystische, diabolische Bedeutung hat. Auch war in dem Gründungsmanifest vermerkt worden, dass Frauen der Beitritt streng verboten war!

So ergab es sich, dass am Rosenmontag alle 77 Mitglieder von Belzebub in dem Saal versammelt waren. Der Alkohol floss in Strömen, auch nicht unerhebliche Mengen von härteren, sogenannten synthetischen Drogen, wurden konsumiert. Die Büttenredner übertrafen sich gegenseitig mit ihren gräulichen Büttenreden, in denen sie die Bibel verspotteten und den Teufel verherrlichten. Dafür erhielten sie donnernden Applaus von ihren Spießgesellen.

Fast hatte man das Gefühl, dass die Mauern bebten, als – es war bereits 7 Minuten vor 24 Uhr – ein besonders kleiner Redner, der dafür einen umso größeren Bauch hatte, mit schriller Stimme, unter ekstatischen Verrenkungen den Teufel persönlich anrief! Er kreischte 7 Mal hintereinander den für eine ungeübte Zunge unaussprechlichen keltischen Namen Satans! Dann verdrehte er, heulend wie ein Schakal, die Augen, fiel klatschend auf seinen fetten Bauch und blieb, nach Luft ringend, in einer Lache aus Schweiß und Speichel liegen.

Kurz noch hörte man seinen pfeifenden, keuchenden Atem. Dann brauste ein wahrer Sturm von infernalischem Applaus auf, vermischt mit gotteslästerlichen Flüchen wie: „verdammt gut“, „gottverflucht stark,“ und anderen lästerlichen Redewendungen.

Die Anwesenden zogen kleine vergoldete Engelsfiguren, die sie ständig bei sich trugen, um sie hin und wieder unflätig beschimpfen zu können, aus den Falten ihrer Gewänder. Sie warfen sie dem Redner auf das Podium, nachdem sie sie zum Zeichen ihrer Verachtung mit harten Faustschlägen malträtiert hatten. So krachten 76 Engel hinter dem Podium, auf dem der Fette noch immer nach Luft schnappend lag, gegen die Mauer, die seit 750 Jahren fest gefügt und unverrückbar stand..

Doch plötzlich begannen die Quader, aus denen sie erbaut worden war, zu beben und zu wackeln! Bevor einer der teuflischen Vereinigung Belzebub reagieren konnte, stürzte der Kleine Saal mit furchtbarem Getöse in sich zusammen und zermalmte die Angehörigen des Karnevalsclubs unter Tausenden Tonnen Gesteins zu Staub und Pulver.
...

200 Jahre später sollten Wissenschaftler, die an dieser Stelle Ausgrabungen vornahmen, einen rätselhaften Fund machen: Sie entdeckten 69 Engelsfiguren aus massivem Gold, die ihre Hände zu Fäusten geballt über den Kopf ausgestreckt hielten. Ganz so, als hätten sie einen Angriff gegen etwas Böses geflogen.

Und 7 vergoldete Engelsfiguren, die ihre Arme züchtig vor der Brust verschränkt hielten. Sie waren von Gott nicht gebraucht worden, um die Mauern zum Einsturz zu bringen und dem unheilvollen Treiben auf der Erde Einhalt zu gebieten!

Ende

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Babuschka am 17.03.2025:
Kommentar gern gelesen.
Spannend bis zuletzt, gut und flüssig geschrieben. Ich hätte nicht darauf getippt, dass Gott sich bei dem satanischen Tun einmischt.
Wenn er sich doch nur öfter einmischen würde, sobald die Menschen einen falschen Weg einschlagen. Aber das bleiben fromme Wünsche.
LG Babuschka




geschrieben von Rautus Norvegicus am 17.03.2025:

Huhu, Babuschka. Bin eigentlich nicht so mit Gott befreundet, aber es ist schon mindestens meine zweite Geschichte, in der er vorkommt. Wenn irgend etwas Unmögliches passieren soll, ist er immer ganz nützlich.

Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat. Danke sehr für die Rückmeldung!

Liebe Grüße

Rautus Norvegicus




geschrieben von Marlies am 23.03.2025:
Kommentar gern gelesen.

Moin Rautus,
Sehr gerne gelesen!
Unabhängig von der Kirche, glaube ich dass das Gute am Ende immer siegen wird.
Ansonsten wäre das Leben nicht lebenswert.

Liebe Grüße
Marlies




geschrieben von Rautus Norvegicus am 23.03.2025:

Vielen Dank, liebe Marlies.

Heutzutage ist es ganz hilfreich, eine rege Phantasie zu haben, selbst wenn man sich nur wünscht, dass einige mächtige Männer, denn es sind ja fast ausschließlich Männer, nicht mehr da wären.

Liebe Grüße

Rautus Norvegicus

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