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geschrieben 1989 von Rautus Norvegicus (Rautus Norvegicus).
Veröffentlicht: 07.03.2025. Rubrik: Fantastisches


Vorentscheidung

Major Ben O'Neil schlägt die Augen auf, doch es wird nicht richtig hell. Verwirrt versucht er sich daran zu erinnern, was mit ihm passiert war. Nur langsam kommt sein Gehirn auf Touren und je klarer er denken kann, desto stärker empfindet er die Schmerzen, aus denen sein gesamter Körper zu bestehen scheint. Stöhnend wälzt er sich auf die Seite, dabei streift sein Blick seinen rechten Arm. Als er die blauen, mit Goldbrokat abgesetzten Streifen sieht, die ihn als Major der Royal-Air-Force kennzeichnen, kommt die Erinnerung mit aller Macht.

Er war zusammen mit Tom Robbins am Nachmittag des 17. Juli von dem Militär-Flughafen Austin I in Texas aufgestiegen, um zu erkunden, was hinter den immer häufiger auftretenden Störungen auf dem Radar-Schirm stecken mochte, die den Flugverkehr enorm beeinträchtigt hatten.

„Hallo, du großer, silberner Vogel, hier spricht Alf vom fernen Planeten Melmac. Ich bin auf der Suche nach E.T. , der ein entfernter Verwandter von mir ist. Ich habe gehört, er soll sich auf dem blauen Planeten Terra aufhalten und dort schon Millionen von Freunden gefunden haben. Kannst du das bestätigen?“ Ben O'Neil, dem man seine irische Abstammung an den roten Haaren und sommersprossigen Gesicht ohne viel Mühe ansehen konnte, lachte mit seiner tiefen Stimme, die gut zu seinem muskulösen, 185 Pfund schweren Körper passte.

Eigentlich war er ja zu groß und massig für das enge Cockpit einer F-16, doch gute Jet-Piloten wuchsen nicht auf Bäumen, von denen man sie nach Bedarf pflücken konnte. Deshalb hatte man ihn mit offenen Armen bei der Royal-Air-Force aufgenommen, als er sich dort als Kampf-Pilot beworben hatte. Er war heute mit seinem langjährigen Freund Tom Robins zu diesem Aufklärungsflug gestartet. „Ben, bitte kommen!“ Die Stimme seines Freundes klang beunruhigt durch sein Head-Set. „Ben, was ist denn das für ein verfluchtes Licht da vorne? Um Himmels Willen, Ben, Ben, ich kann nichts mehr sehen! Ich glaube...“! Und plötzlich war Toms Stimme abgerissen.

Ben O'Neil hörte nur noch ein Knacken, dann hatte ohrenbetäubendes Rauschen fast seine Trommelfelle zerfetzt. Ihm stockte der Atem. Was war nur mit Tom los? Er suchte mit seinem Blick den Horizont nach dem Licht ab, das Tom gesehen haben wollte, konnte aber nichts entdecken. Dann sah er die Maschine seines Freundes. Sie trudelte etwa bei der 11-Uhr-Position über den Himmel, richtete dann die Nase gegen den Boden und raste im Sturzflug hinunter.

Dann war sie aus seinem Blickfeld verschwunden.
Plötzlich schien sein Flugzeug wie von einer riesigen Faust gepackt und stieg steil in den Himmel.

Er versuchte, sie nach unten zu drücken, doch das Höhenruder reagierte nicht. Mit einer raschen
Bewegung betätigte er den Hebel, der ihn mitsamt seines Sitzes aus der unkontrollierbaren F-16
katapultieren würde. Es wurde auch höchste Zeit, denn er hatte die Stratosphäre schon verlassen und wusste, dass es draußen kaum noch Sauerstoff gab. Aber den brauchte er, denn seine Sauerstoff-Maske war defekt, wie er mit Entsetzen bemerkt hatte.

Aber nichts rührte sich. Höher und höher stieg der Flieger, vor seinen Augen begannen rote Sterne
zu tanzen. Er krächzte noch einmal Mayday in das Mikrophon, dann verlor er das Bewusstsein. Ja, so war das gewesen! Ben O'Neil war total verwirrt. Irgend etwas hatte seinen Jäger angetrieben, ohne dass er ihn hatte steuern können!

Er sah sich genauer um und ging mit schmerzenden Gliedern in der fremden Umgebung auf und ab. Überall lagen etwa faustgroße, scharfkantige Steine herum, eingebettet in braunen Staub. Die Gegend kam Ben bekannt vor, ja, er musste erst vor Kurzem hier gewesen sein! Aber..., eine eiskalte Hand schien seinen Hals zu umschließen, er hatte nur von diesem Ort geträumt!

Als würde ein Film abgespielt, hatte er den Traum wieder vor Augen. Er war hier gewesen, um zu kämpfen! Mit einem Wesen von einem anderen Planeten würde er darum kämpfen, ob die Erde in Menschenhand blieb oder ob SIE die Erde beherrschen und ausbeuten würden!

„Mach dich bereit, Erdenbewohner“, hörte er plötzlich eine Stimme. Hörte? Nein, so wie er den
Traum wieder vor Augen gehabt hatte, war jetzt diese Stimme in seinem Gehirn! Dann machte er in
etwa einhundert Meter Entfernung eine Bewegung aus und sah den Extraterrestrischen.

Der Anblick warf ihn fast um. Muskelbepackt, monströs, das alles hatte er erwartet und sich darauf eingestellt,
aber was da auf ihn zu kam, das war sein Freund Tom Robins, der zusammen mit ihm diesen Aufklärungsflug unternommen hatte. Aber der war doch offensichtlich ums Leben gekommen, als er vor seinen Augen abstürzte!

„Tom!“ rief er erfreut aus und rannte auf ihn zu. Auf halbem Weg zu seinem Freund prallte er mit voller Wucht gegen eine unsichtbare Mauer. Er schlug hart mit dem Kopf dagegen und fast bewusstlos kam ihm wieder sein Traum ins Gedächtnis.

Tom und er waren durch eine unsichtbare Barriere getrennt, die nur Steinen und anderen, leblosen
Dingen wie Wurfgeschossen Durchlass bot! Hastig zog er seinen Arm zurück, als er merkte, dass dieser wie in einem Gipsverband lag, der sich langsam erhärtete.

Dann traf ihn auch schon der erste von Tom geschleuderte Stein an der Schulter. „Du willst die Erde vernichten, Ben, das werde ich nicht zulassen, hörst du? Auch wenn wir einmal Freunde waren, ich werde dich töten, um unseren Planeten zu retten!“

Diesen Worten ließ Robins einen wahren Hagel von Wurfgeschossen folgen, doch O'Neil war schon zurück gewichen, bis die unsichtbare Wand ihn stoppte, die das Kampffeld umgab bzw. teilte.

Hier konnten ihn die Steine nicht mehr erreichen. 'Was haben die Tom bloß vorgegaukelt, dass er denkt, ich will die Erde vernichten,' dachte Ben betroffen. Als er jedoch von einem Stein an der Stirn getroffen wurde, schlug seine Betroffenheit in Zorn um und er erkannte, dass man – wer immer das auch sein mochte – Tom total in den Glauben versetzt hatte, er, Ben O'Neil, würde die Erde vernichten wollen!

Er schrie: „Na gut, wie ihr wollt!“ und fing nun seinerseits damit an, Tom mit Steinen zu
beschmeißen. Nachdem sie sich eine Weile gegenseitig bombardiert hatten, setzte O'Neil sich in die hintere Ecke seines Feldes. Sein schmerzender Arm machte ihm deutlich, dass er schon eine geraume Zeit wie ein kleines Kind mit Steinen nach seinem Gegner schmiss. Er selbst war im Laufe der Zeit mehrmals getroffen worden, seine Uniform war an mehreren Stellen von Steinen aufgerissen und er blutete.

Auch Toms Uniform war an mehreren Stellen zerfetzt, doch er wurde im Gegensatz zu ihm scheinbar weder müde noch verspürte er Schmerzen. Normalerweise war er, Ben O'Neil, der körperlich Überlegene, aber was war in den letzten Stunden schon normal gewesen? Auf der anderen Seite ging Robins ca. zehn Meter von der Wand entfernt auf und ab und warf hin und wieder einen Stein in seine Richtung.

Als er wieder einmal warf, löste sich von seinem Handgelenk die Uhr und flog auf Bens Seite. Sie
schlug auf den Boden und blieb mit geöffnetem Armband im Staub liegen. Sie erinnerte auf obskure
Art an einen Leichnam, so wie sich ihr Armband ringelte.

Etwas schwermütig dachte dachte O'Neil daran, dass er sie seinem Freund Tom im letzten Jahr zum
Geburtstag geschenkt hatte. Und jetzt lag sie da, wie ein Symbol für ihre gestorbene Freundschaft.
Gestorben? Aber sie lebte! Die Uhr tickte weiter! Doch sie lag jetzt auf seiner Seite! O'Neil wurde es
heiß und kalt. Er dachte an seinen Arm, der auf Tom Robins Seite gelegen hatte, als er gegen die
Wand gelaufen und für eine Sekunde betäubt gewesen war.

Schon oft hatte Ben O'Neil mit seinem Leben gespielt, wenn er hoch am Himmel seine waghalsigen
Eskapaden flog, aber immer hatte es an ihm gelegen, heil und unversehrt wieder am Boden zu landen. Doch jetzt würde er für Augenblicke sein Leben aus der Hand geben!

Er holte weit mit der Uhr in der Hand aus und ihm gelang es, sie bis an den hinteren Rand von Robins Feld zu werfen. „Hier hast du die Uhr zurück. Dein Ärmchen ist wohl zu dünn dafür. Als wir sie dir damals kauften,
hat Mary schon gesagt, dass wir besser eine Kinder-Größe für dich nehmen sollten!“ Er lachte und hoffte, dass sich sein Lachen höhnisch anhörte.

Und wirklich, tief gekränkt marschierte Robins
prompt zu der Uhr, um sie sich umzulegen und O'Neil damit zu beweisen, dass sie ihm doch passte!

Der war inzwischen dicht an die Trennwand heran getreten und hatte einen runden, faustgroßen Stein in die Hand genommen. Als Tom sich umdrehte und auf den Weg zu der Uhr war, schlug sich O'Neil den Stein gegen den Kopf, nachdem er sich gegen die Wand gelehnt hatte. Durch den Schlag verlor er, wie geplant, für den Bruchteil von einer Sekunde das Bewusstsein. Die Wand ließ seinen kurzzeitig leblosen Körper passieren. Er schlug schwer auf den unebenen Boden und beeilte sich, noch halb betäubt, seine Beine nach zu ziehen, bevor sich die Wand wieder verdichtete.

In diesem Moment bemerkte Tom, dass er die
Sperre überwunden hatte und rannte auf ihn zu, um seinen angeschlagenen Zustand auszunutzen. Er
schleppte in den Armen einen großen Stein mit sich. Dann hatte er den halb bewusstlosen O'Neil
erreicht und hob ihn mit beiden Händen hoch über den Kopf. „So stirb dann, Erdenmensch! Die Erde wird uns untertan und ihr Kreaturen werdet uns zu Diensten sein müssen!“

O'Neil hob mühsam den Kopf; das Blut gefror ihm schier in den Adern! Der Außerirdische hatte in der Minute der Entscheidung seine wahre Gestalt angenommen. Er war
ein unförmiger Haufen aus Gehirnmasse und Nervensträngen, die auf einigen spindeldürren
Auswüchsen stand. Der Stein, der Ben töten sollte, schwebte vor ihm in der Luft, nur durch Psychokinese gehalten.

Unter Aufbietung der letzten Kraftreserven rollte sich Ben neben das Wesen und rammte seine Faust hinein. Plötzlich war da nichts mehr, was den Stein noch zu halten vermochte, er fiel herunter und zertrümmerte Bens Knie. Dann wurde es Nacht um ihn.

Er erwachte in einem Militär-Lazarett in Austin, Texas, fühlte sich zerschlagen und müde, wollte die Augen sofort wieder schließen und weiter schlafen. „Hallo, Major O'Neil, wie fühlen sie sich?“ Ben schlug die Augen widerwillig doch auf. Das Krankenzimmer, in dem er sich befand, lag im Halbdunkel. „Ich habe es geschafft,“ murmelte er undeutlich, “ich habe es geschafft!“

„Versuchen sie, weiter zu schlafen, sie haben einen schweren Unfall gehabt,“ beruhigte ihn die Krankenschwester.

„Ich habe es geschafft!“ wiederholte O'Neil stur, „ich habe sie gerettet, ich habe die Welt gerettet!“ Er lächelte glücklich unter dem Mullverband, der sein Gesicht fast vollständig bedeckte. Ernähren musste man
ihn intravenös. „Ja, ja,“ beeilte sich die Schwester, ihn zu bestätigen.

Sie war müde und wollte nach Hause. Gerade griff sie nach der Türklinke, als die Tür von außen geöffnet wurde und ein junger Mann in Fliegeruniform stand vor ihr. In der Hand hielt er einen großen Blumenstrauß. Als er O'Neil im Bett erblickte, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Hallo Ben.“ sagte er und trat in das Blickfeld des Verletzten. Kaum erblickte Ben ihn, da bäumte er sich im Bett auf. „Nein, du kannst nicht hier sein, du bist tot! Ich habe dich getötet und die Welt vor euch gerettet! Du bist tot, tot, tot!“ Die Schwester schaute entsetzt zu ihm hinüber und eilte hinaus, um einen Arzt zu benachrichtigen.

Als sie das Zimmer verlassen hatte, zögerte Tom nicht länger. Er ging rasch mit ausdruckslosem Gesicht zu Bens Bett und injizierte ihm eine farblose Flüssigkeit.

Als die Schwester mit einem Arzt zurück in das Zimmer kam, schlief O'Neil und atmete ruhig und gleichmäßig. Verständnislos sah der Arzt sie an. „Mit dem Patienten ist doch alles in Ordnung! Na ja, Schwester Magret, sie haben eine lange Nacht hinter sich. Es ist wohl das beste, sie gehen nach Hause und schlafen sich mal richtig aus. Bis morgen Abend dann“. Der Arzt ging zur Tür hinaus und dachte dabei schon wieder an den nächsten Patienten.

Major Ben O'Neil verbrachte noch eine Woche im Lazarett. Er erholte sich erstaunlich schnell, dann
wurde er entlassen. Er wird heute wieder bei seiner alten Staffel als Jet-Pilot eingesetzt und fliegt besser als jemals zuvor.

Ein- bis zwei Mal pro Monat kommt es vor, dass er mehrere Stunden spurlos vom Radarschirm verschwindet. Wenn er gefragt wird, was da bloß los war, gibt er augenzwinkernd zu, dass er mit Wesen vom fernen Planeten Pluto eine Invasion auf der Erde geplant hat. Seine Vorgesetzten gehen nicht näher auf seine makabren Späße ein, denn sie sind froh, einen so erfahrenen Piloten wie ihn zu haben.

Eines Tages wird man sich allerdings fragen müssen, warum dieser Mann nicht ernst genommen wurde. Aber dann wird es für die Menschheit zu spät sein!

Ende

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von lüdel am 07.03.2025:
Kommentar gern gelesen.
Ganz schön lang spannend, war gefesselt bis zum schluß.
Lese es bestimmt noch mal.
lüdel🧚‍♂️




geschrieben von Rautus Norvegicus am 08.03.2025:

Liebe Lüdel,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, ist lang geworden, diese Story. Ich hatte damals einfach angefangen zu schreiben, ohne einen Plan, wie die Story enden sollte.

Ich fand es schon selber beim Schreiben spannend, super, dass du beim Lesen auch so empfindest.

Liebe Grüße

Rautus Norvegicus




geschrieben von CaptainX am 19.03.2025:
Kommentar gern gelesen.
Eine kleine, in sich schön geschlossene Geschichte. Gut lesbar und klar erzählt.




geschrieben von Rautus Norvegicus am 19.03.2025:

@ Captainx: Danke schön, ich hatte eigentlich ein wenig Sorge, dass diese Story, bis auf meine treuesten Fans, weder interessiert noch gefällt.

Viele Grüße

Rautus Norvegicus

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