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geschrieben 1988 von Rautus Norvegicus (Rautus Norvegicus).
Veröffentlicht: 27.02.2025. Rubrik: Fantastisches


Heilige Nacht

Bald war es so weit. Man schrieb den 23. Dezember, morgen war heilig Abend, ein geradezu magisches Datum.

Peter hatte das ganze Jahr darauf hin gearbeitet, hatte sogar in den letzten zwei Monaten der Katze
nicht mehr am Schwanz gezogen . Er dachte daran, dass er mitten im Jahr, im August, zehn Jahre alt geworden war.

Ein Klassenkamerad von ihm hatte am 19. Dezember Geburtstag und klagte ständig darüber, dass deshalb die Bescherung zu Weihnachten immer recht dürftig ausfiel.

Er würde nämlich an seinem Geburtstag immer angeblich für Weihnachten mit beschenkt, was sich seiner Meinung nach aber nicht in einer erhöhten Anzahl seiner Geburtstags-Geschenke niederschlug. Peter grinste schadenfroh, als er an ihn dachte.

Er selber hatte sich für seine Ritterburg, die er letztes Jahr von Onkel Frank geschenkt bekommen hatte, ein umfangreiches Set Ritterfiguren gewünscht - es sollten diesmal schwarze sein, die gegen die bereits vorhandenen weißen würden kämpfen können.

Mit den Gedanken an seine schwarze Ritter schlief er ein. Geräusche weckten ihn. War das seine Mutter, die ihm seine Ritter brachte, während er schlief?

Vorsichtig öffnete er seine Augen ein Spalt breit, um zu sehen, was um sein Bett herum vor sich
ging. Erschreckt presste er sie wieder zu, als er erblickte, was sich da abspielte! Sein ganzes
Zimmer wimmelte von spielzeuggroßen Rittern, teils in silbrigen, zum anderen Teil in schwarzen
Rüstungen. Die Ritter kämpften gegen einander um seine Plastik-Ritterburg, die in der Ecke des
Raumes stand.

Peter wurde stocksteif vor Schreck und wagte kaum, zu atmen! Das Kampfgetümmel hatte an Lautstärke zugenommen, Peter vernahm deutlich das Gebrüll zuschlagender und das Gewinsel getroffener Kämpfer. Der Kampfeslärm wurde immer schlimmer.

Peter sah, dass die weißen Ritter einen Ausfall aus der Burg gewagt hatten und die schwarzen langsam, aber sicher, vor sich her, auf sein Bett zu trieben. 'Um Gottes Willen', dachte Peter, wollte schreien, wollte seinen Vater zur Hilfe rufen! Doch sein Hals war wie zugeschnürt.

Die flüchtenden schwarzen Ritter waren keine zwanzig Zentimeter mehr von seiner Matratze entfernt, die zu ebener Erde einfach auf dem Boden lag.

Er zuckte angeekelt zurück, als er von dem blutigen Arm eines schwarzen Ritters an der Stirn
getroffen wurde. Ein weißer Ritter hatte ihn seinem Gegner mit einem gewaltigen Hieb von der
Schulter getrennt! Das Blut spritzte aus der klaffenden Wunde und sickerte in den grauen Teppich, mit dem Peters Zimmer ausgelegt war.

„Nein, das nicht auch noch“, jammerte Peter, als er sah, wie sich das große Tor der Burg öffnete. Im nächsten Augenblick galoppierten nämlich die zehn Miniatur-Araberhengste heraus, die er von Onkel Edgar geschenkt bekommen hatte. Sie wurden geritten von weißen Rittern!

Warum nur hörte seine Mutter den Lärm nicht, den die schnaubenden, laut stampfende Pferde machten?

Peter riss sich zusammen und wollte wieder schreien, doch als er seinen Mund öffnete, drang nur ein leises, krächzendes Geräusch zwischen seinen Lippen hervor, die er sich mittlerweile vor Aufregung blutig gebissen hatte.

Ein untersetzter schwarzer Ritter, der gerade an seinem Gesicht vorüber galoppierte, starte ihn an. Seine Augen waren blutunterlaufen und Blut ran ihm von der Stirn, die von einer klaffenden Wunde entstellt wurde.

Die übrigen Ritter hatten inzwischen ebenfalls sein Bett erreicht. Auf den Wellen und Falten, die seine Bettdecke warf, lieferten sie sich wahnwitzige Verfolgungen und haarsträubende Kämpfe.

Mancher Arm und manches Bein fiel dabei dem rasiermesserscharfen Schwert des Gegners zum Opfer. Als direkt vor seinem Gesicht ein weißer Ritter, den zwei schwarze fest hielten, enthauptet wurde, brach sein Entsetzen in Form eines gellenden Schreis aus ihm hinaus.

In diesem Augenblick flammte die Deckenleuchte in seinem Zimmer auf, seine Eltern standen strahlend in der Tür. „Schau mal, Peter, was das Christkind heute Nacht für dich gebracht hat“, sagte sein Vater augenzwinkernd zu ihm. Seine Mutter streckte ihm lächelnd einen großen Karton mit den heißersehnten, schwarzen Rittern entgegen.

Peter heulte laut auf, als er sie sah. „Ich will keine schwarzen Ritter“, brüllte er, „die machen mir das ganze Zimmer blutig! Ich will lieber die Puppe, die ihr für Simone gekauft habt!“ Schluchzend fiel er seiner Mutter in die Arme, die völlig überrascht war und ratlos ihren Mann anschaute.

„Aber warum denn das,“ fragte sie irritiert, „aus diesem Alter bist du doch wohl schon lange heraus, oder irre ich mich da?“ Sie lies ihren Blick durch den Raum schweifen, der unaufgeräumt war wie immer.

Aber das war ihr egal, schließlich war heute Weihnachten und da wollte sie nicht mit ihrem Sohn schimpfen. Sie legte einen Arm um seine Schultern und schob ihn mit sanfter Gewalt in den Raum, wo der festlich geschmückte Christbaum stand.

Simone saß vor ihm und spielte schon mit ihrer neuen Puppe, die sie kurzerhand 'Babsi' genannt hatte.

Sie sah, wie glücklich Simone war. Sie sah, wie festlich der Weihnachtsbaum aussah. Und sie sah, wie gemütlich das Feuer im offenen Kamin loderte.

Aber sie sah nicht den verletzten schwarzen Ritter, der in Peters Zimmer auf die Plastikburg zu kroch.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Marlies am 01.03.2025:
Kommentar gern gelesen.

Ich bin davon ausgegangen dass der kleine Peter einen Albtraum hatte.
Am Ende hat es sich aber zu einer Horrorgeschichte entwickelt.
Das ist dir sehr gut gelungen und hat mich vollkommen überrascht.

Liebe Grüße
Marlies




geschrieben von Rautus Norvegicus am 01.03.2025:

Liebe Marlies :-) .

Erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt. Passiert öfters in meinen Geschichten.

Danke fürs Lesen und Kommentieren, find ich immer schön :-)

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