geschrieben 1995 von Rautus Norvegicus (Rautus Norvegicus).
Veröffentlicht: 13.03.2025. Rubrik: Satirisches
Falsche Mutterliebe
Sie zwang sich zur Ruhe und zündete sich eine Zigarette an. Nachdem diese aufgeraucht war, hatte
sich in ihrem Hinterkopf endgültig eine Idee festgesetzt, wie sie ihre Rivalin los werden könnte.
Zwar machten ihr Skrupel zu schaffen, bei den Gedanken an das, was sie tun wollte. Jedoch, die
unendlich große Liebe einer Mutter zu ihrem Kind gewann die Oberhand. Zufrieden mit sich und ihrem Plan aß sie zu Abend und begab sich dann ins Bett.
Am nächsten Morgen stand sie früh morgens auf und begab sich daran, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Als
Erstes musste sie dazu mit der Straßenbahn in die Stadt fahren, um zu ihrer Sparkassen Filiale zu gelangen. Die Schalterhalle war noch recht leer und sie wurde sofort bedient. „Guten Morgen, Frau Weiß, was kann ich für sie tun?“ Der junge Mann hinter dem Schalter lächelte sie diensteifrig an. „Guten Morgen, Herr Klerk,“ erwiderte Emilie Weiß knapp und reichte ihm einen Barscheck über 2000 DM, die ihr ohne zu Zögern ausgezahlt wurden.
Mit dem Geld in der Handtasche suchte sie einen ehemaligen Arbeitskollegen ihres verstorbenen Gatten auf. Er war Sprengmeister in einer Kupfermine und ihr ein guter Freund gewesen, als ihr Mann vor vier Jahren bei einem Sprengunfall ums Leben gekommen war. Nach kurzem Zögern händigte er ihr zwei Kilogramm, in Stangenform gepresstes Dynamit aus. Sie hatte ihm dafür 1.000 DM gegeben, womit er sich seine schmale Rente aufbessern konnte.
Es war mittlerweile später Nachmittag geworden und Emilie fühlte sich müde und abgespannt. Aber
sie hatte damit angefangen, ihren Plan auszuführen und wollte ihn jetzt auch zu Ende bringen! Sie
hatte ihrer Meinung nach sowieso schon viel zu viel ihrer kostbaren Zeit für die geopfert, die versuchte, ihr den eigenen Sohn immer mehr zu entfremden! Sie fuhr mit der Linie eins-eins-fünf bis zur Haltestelle Porscheplatz, die unweit der Wohnung ihres Sohnes lag. In der Imbiss-Stube, die gegenüber des Appartements ihres Sohnes lag, aß sie eine Kleinigkeit, um sich zu stärken.
Als es draußen vollends dunkel geworden war, ging sie hinüber. Sie stand vor der Haustür, die Jutetasche, in der das Dynamit verstaut war, hatte sie neben sich abgestellt. Plötzlich hielt ein Auto vor dem Haus. Schnell stieß Emilie die Tür auf und huschte in den kühlen Hausflur, nachdem sie ihr tödliches Gepäck wieder aufgenommen hatte.
Mit klopfendem Herzen huschte sie zu der schmalen Treppe und ging bis zum zweiten Stockwerk hoch. Ihr Sohn hatte ihr damals, als er hierher umzog, einen Zweitschlüssel gegeben, damit sie hin und wieder während seiner Abwesenheit, nach dem Rechten sehen konnte.
„Warum, um Himmels Willen, wolltest du mich in die Luft jagen, Mutter?“ Gerhard Weiß ging aufgeregt in seinem Wohnzimmer auf und ab. Er war gerade von seiner Arbeit nach Hause gekommen und hatte seine Mutter dabei überrascht, als sie die Sprengladung in seinem kleinen Badezimmer legte. Der Raum diente ihm auch als Waschküche und wurde durch eine große Waschmaschine fast völlig ausgefüllt. „Das kann doch wirklich nicht wahr sein, was habe ich dir denn getan, dass du mich so sehr hasst?!“ Emilie Weiß kauerte zitternd auf dem Sofa und rang nach Luft.
„Aber Gerhard, lieber Gerhard, so höre doch. Ich wollte nicht, dass dir etwas passiert. Aber ich hatte Angst! Jetzt, seitdem sie da ist, brauchst du doch gar nicht mehr zu mir kommen! Deshalb wollte ich sie... ich sie..,“ schluchzend brach sie den Satz ab. Gerhard schaute seine Mutter eine Minute schweigend an, dann war er sich sicher, was sie meinte. Er hatte sie nämlich immer dann besucht, wenn er Wäsche zu Waschen gehabt hatte.
Jetzt konnte er sich nicht mehr beherrschen und das Lachen brach wie ein Wasserfall aus ihm heraus. Seine Mutter hatte davor Angst, dass er ihr seine Wäsche nicht mehr zum Reinigen brachte, denn er hatte sich in der vergangenen Woche... eine Waschmaschine gekauft, die sie heute hatte sprengen wollen!
Ende

