Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
1xhab ich gern gelesen
geschrieben 2025 von Dan Prescot (Dan Prescot).
Veröffentlicht: 20.01.2025. Rubrik: Fantastisches


Materie 8.2 -Sichtweisen-

„Du arroganter Arsch, wo sind jetzt deine klugen Sprüche?“
Jochen hat Adrian aus der Menge heraus angesprungen. Adrian hat nicht die Spur einer Chance zu reagieren und stürzt zu Boden.
Der Ring der Schüler zieht sich noch enger um Adrian und Jochen.
„Los, zeig ihm was wir von seinem Scheiß halten!“
Ich erkenne Tina nicht wieder. Niemals, in all der Zeit seit wir uns kennen, habe ich sie so ereifert gesehen. Sie macht mir Angst.
Ich wende mich von der beklemmenden Szene ab und schlage die Hände vor das Gesicht. Edith nimmt mich in die Arme und zieht mich weg.
„Komm lass uns verschwinden. Das sind Tiere. Ich erkenne unsere Freunde nicht wieder.“
„Juliana, bitte...“
Als ich den Kopf wende, um nach Adrian zu sehen, bekomme ich gerade noch mit, wie Jochen zutritt.
„NEIN!“
Sein Kick erwischt Adrian am Kopf wodurch er erneut zu Boden geht, um diesmal benommen liegenzubleiben.
„NEEEIN!“
Ich reiße mich von Edith los und stürze zu Adrian. Er liegt auf dem Rücken, seine Lippe ist aufgeplatzt, Blut fließt aus der Nase und die Augenlider flattern.
„Los, verschwinde da, bevor auch du noch was abbekommst.“
Jochen zerrt an meiner Bluse. Ich schlage seine Hand weg und zische ihn an.
„Wage es ja nicht!“
Keine Sekunde lasse ich Jochen aus den Augen, selbst als ich mich an Tina wende:
„Tina, pfeif´ deinen Bluthund zurück! Ihr seid zu weit gegangen!“
„Jules, ich hatte dich gewarnt, er ist ein Nerd, hatte ich nicht? Und hatte ich nicht gesagt, dass du dich von ihm fernhalten solltest? Er ist arrogant, glaubt er wär´ was besseres. Ständig gibt er seinen Senf dazu, belehrt einen. Ein Klugscheißer!“
Verdammt Jules, was hält dich bei IHM?“
Mit den letzten Worten schreit sie mich an. Schleudert mir die Frage ins Gesicht, schaut mir dabei in die Augen und wartet auf eine Antwort.
„Dachte ich mir. Los hauen wir ab, bevor hier ein Guru auftaucht.“
Auch wenn ich Tina nicht geantwortet habe, brauchte ich eine Antwort auf ihre Frage. Während der Mob, aus Angst vor einem Lehrer abzieht, hebe ich Adrians Kopf vorsichtig auf meinen Schoß. Mit einem Taschentuch tupfe ich ihm das Blut von den Lippen und der Nase. Meine Hände zittern. Ein leises Stöhnen, mehr höre ich nicht von ihm.
„Adrian, was hat dich geritten? Wie oft hatte ich dich gewarnt?“
Adrian öffnet die Augen, sieht mich an.
Vorsichtig hebt er den linken Arm, betastet seine Lippen. Verzieht sein Gesicht, als die Finger die Stelle am Kiefer finden, die Jochen mit seinem Fuß getroffen hat.
„Au.“
Er versucht aufzustehen.
„Nein warte noch, du warst kurz weg.“
Meine Hände fassen seine Wangen, leicht, zart, halten ihn. Er schließt wieder die Augen, atmet ruhiger. Seine Gesichtszüge glätten sich etwas. Ich streiche ihm eine Haarsträhne von der Stirn.
„So ist es besser.“
„Hmm.“
„Willst du mir jetzt verraten, warum du das getan hast? Anzeichen für ihre Reaktion gab es genug.“
„Uh, sie irren.“
„Und wenn...“
„Aber sie werden manipuliert. Kannst du es erkennen? Sag, kannst du es sehen? Oh, meine Güte mein Kopf!“
„Still, beruhige dich. Ich bin auf deiner Seite.“
„Juliana, bitte sage mir, das du es auch bemerkst?“
„Warum ist es dir so wichtig, ob ich hinter die Fassade sehen kann?“
„Sie verteidigen die Lüge mit einem Fanatismus, als ob ihr Leben davon abhinge.“
„Ja und du setzt dein´s auf Spiel, um sie mit derselben Verbissenheit vom Gegenteil zu überzeugen! Warum ist es dir so wichtig?“
„Ist es nicht!“
„Ach nicht? Das sehe ich.“
Leicht drücke ich seine Wange auf der Seite, wo sich bereits ein Veilchen abzeichnet.
„Autsch, nein ist es nicht. Wichtig ist mir nur, dass du es erkennst! Bevor ich dich kennengelernt habe, habe ich mich nie eingemischt. Es sind deine Freunde, verstehst Du? Du bewegst dich in ihren Kreisen, tagein, tagaus. Nimmst hin, was du siehst und hörst, hinterfragst nichts!“
Seine Stirn furcht sich, in seinen Augen sehe ich den Unglauben.
„Ich frage dich erneut, Juliana. Erkennst du die Lüge hinter all dem?“
Wann habe ich den Augenblick verpasst, als aus dem Opfer ein Ankläger wurde? Es schnürt mir den Hals zu.
„Bitte...Adrian?“
„Juliana, antworte mir!“
Seine Stimme, sonst weich und rücksichtsvoll, ist Eis, kalt und fordernd. Ich spüre die Konsequenz, die die Antwort einfordert. Ich will mir nicht eingestehen was daraus folgt, sehe die vielen Wege, die sich jetzt, genau jetzt in diesem Moment verzweigen. Mein weiteres Leben, die Zukunft. Ich sehe Adrians und meins, unseren gemeinsamen Weg. Sehe die Freude, den Schmerz, die Einsamkeit, Trauer, Vergessen, Härte, Wut, Verzweiflung,...
Dann ist es vorbei. Nur einen winzigen Augenblick dauerte es. Zu lang. Adrian schließt die Augen, setzt sich auf. Fort von mir. Meine Hände lassen es zu, unfähig zu verhindern, abzuwenden was geschieht. Schwerfällig, langsam stemmt Adrian sich auf die Beine. Sein Gesicht wendet sich mir zu, ich sehe das Glitzern in seinen Augen. Warten! Als er sich abwendet, wischt er mit seinem Handrücken das Nass von seinen Wangen.

counter1xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von Bad Letters am 25.01.2025:
Kommentar gern gelesen.
Ich hatte direkt nach einer Schlägerei nie so philosophisch geprägte Gespräche Dan, da ging es gewöhnlicher zu, solange mein Reptiliengehirn mich noch dominierte. Der Kampf Arm gegen Reich, Dumm gegen Klug ein ewiger Kreislauf auf Schulhföen und nicht nur da.

MfG
Bad Letters




geschrieben von Dan Prescot am 26.01.2025:

Hm, Dein Einwand ist berechtigt.
Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nur an eine einzige "Rauferei", zumindest in Hinblick auf die Art wie sich heute "Geschlagen" wird.
Ich rede mich da mal so raus: Adrian hat sich nicht ja nicht gewehrt, war also nicht im Kampf- oder Fluchtmodus.


Mehr von Dan Prescot (Dan Prescot):

Materie 8.1 -Sichtweisen-
Materie 7. -Liebe-
Materie 6. -Eine andere Welt-
Materie 5.2 -Fotoshooting-
Materie 5.1 -Fotoshooting-