Veröffentlicht: 23.02.2022. Rubrik: Persönliches
Märchenstunde und das doppelte Lottchen
Anfang der 50er Jahre war ich oft bei Oma und Opa. Ich erinnere mich, dass sie mir manchmal Märchen vorlasen. Ich liebte diese Geschichten und stellte mir alles sehr bildlich vor. Hänsel und Gretel, die sich im Wald verirrten, Schneewittchen mit den wunderschönen schwarzen Haaren oder Rapunzel mit dem langen blonden Zopf. Immer spielte eine böse Stiefmutter, böse Fee oder Hexe eine unheilvolle Rolle. Mein Lieblingsmärchen war Dornröschen, das 100 Jahre schlafen musste, um endlich von einem Prinzen wachgeküsst zu werden. Ich wunderte mich sehr, dass Dornröschen in diesen 100 Jahren keine alte Frau geworden war, sondern noch genauso jung und schön wie vorher war.
Ansonsten gab es nicht viele Bücher im Hause meiner Großeltern. Meine nur 11 Jahre ältere Tante Sigrid, die noch bei ihren Eltern wohnte, hatte aber ein Sammelalbum mit der Geschichte von Erich Kästners „Doppeltem Lottchen“, das von einer Margarinefirma herausgegeben worden war. Immer, wenn man diese Sorte Margarine kaufte, erhielt man ein passendes Bild für das Album, das dort eingeklebt wurde. Sigrid fehlten nur noch wenige Bilder, so dass dieses Album auch für mich interessant war. Ich kannte die Geschichte der Zwillinge Lotte und Luise, die als Babys getrennt wurden, fast auswendig, weil man sie mir oft vorgelesen hatte. Ich konnte sie mir immer wieder anhören und wenn gerade niemand Zeit zum Vorlesen hatte, sah ich mir die Sammelbildchen im Album an.
Das war das erste Kinderbuch, das ich von Erich Kästner kennenlernte. Später, als ich selber lesen konnte, habe ich auch seine anderen Geschichten sehr gemocht.