Veröffentlicht: 16.02.2022. Rubrik: Persönliches
Der Kasper in den Trümmern
Wenn ich Anfang der 50er Jahre bei meiner Oma war, spielte ich oft mit den Nachbarskindern. Ich war damals die Kleinste und war oft mit einem einige Jahre älteren Mädchen, das ebenfalls Christel hieß und im Nebenhaus wohnte, unterwegs. Für Christel war ich bestimmt keine gleichwertige Spielkameradin, sie passte vielmehr auf mich auf.
Einmal schaute ich zu, wie die älteren Kinder ein Kasperle-Stück probten. Ich war fasziniert von den beweglichen Puppen, woher auch immer sie diese hatten.
Dann war es soweit: Die Kinder malten kleine Zettel, auf der sie die Kasperle-Vorstellung mit Datum und Uhrzeit ankündigten. Ort des Geschehens sollte die Ruine eines Wohnhauses sein, das im Krieg zerstört und als einziges Haus in der Straße noch nicht wieder aufgebaut worden war. Das war für die Kinder ein angemessener Rahmen für ihr Kasperletheater. Der Eintritt für die Zuschauer sollte 2 Pfennige betragen.
Meine Oma ließ sich nicht lange bitten. Selbstverständlich gab sie mir das Eintrittsgeld und voller Freude marschierte ich zusammen mit der anderen Christel ins „Theater“, bezahlte meinen Obolus und durfte mir einen „Sitzplatz“ in den Trümmern aussuchen. Ich genoss die Vorstellung, hatte großen Spaß, wenn Kasper alle Bösewichte verprügelte.
Die größte Überraschung aber war, dass nach der Vorstellung alle Zuschauer ihr Eintrittsgeld von 2 Pfennigen zurück erhielten. Als ich das Geld meiner Oma geben wollte, sagte sie, ich solle damit mein Sparschwein füttern.