Veröffentlicht: 02.06.2022. Rubrik: Fantastisches
Kapitel 12: Fortsetzungsgeschichte, Ende
Was lange währt….
Uns gefiel es sehr gut im schuleigenen Hühnerstall. Nicht nur, dass sich die Kinder liebevoll um uns kümmerten, fütterten und den Stall säuberten: Sie streichelten uns oft und gern und nahmen uns in den Arm. So verwöhnt wurden wir auf Wilhelms Hof nie! Berta und Charlotte brüteten und entfernten sich ganz selten vom Nest, und wenn, dann nur für kurze Zeit.
Irgendwann war es soweit: Zuerst schlüpften Bertas Küken und einige Tage später auch Charlottes. Die Kinder, die das beobachten durften, waren einerseits total aufgeregt, andererseits sehr enttäuscht, weil eben nicht viel zu sehen war. Die Glucken plusterten sich zu erhabener Größe auf und versteckten die Jungen unter ihrem Gefieder.
Das kleine pausbäckige Mädchen, das übrigens Sabrina hieß, kümmerte sich besonders intensiv um Isolde. Manchmal machten sie sich sogar zu einem gemeinsamen Spaziergang im schuleigenen Garten auf. Sabrina liebte Isolde abgöttisch und umgekehrt war es ähnlich.
Dann kam der„Kükennacht“-Freitag, das nächtliche Highlight des Projekts. Sabrina bestand darauf, Isolde dorthin mitzunehmen. Charlotte und Berta konnten ihre erst wenige Tage alten Küken nicht allein und unbetreut im Hühnerstall zurücklassen.
Henriette und ich wurden nicht gefragt. Das hieß, wir mussten wieder unser herzzerreißendes Gegacker ertönen lassen. Wir hatten damit Erfolg und durften mit zur Kükennacht.
Alles spielte sich dort so ab, wie Renate es vorher beschrieben hatte. Ich hatte noch nie einen Brutapparat gesehen und fragte mich, ob ein solches Gerät bald die Bruttätigkeit der Glucken übernehmen könnte.
Mein Blick fiel auf Sabrina und Isolde, die beide voller Ehrfurcht mit offenem Mund bzw. Schnabel das Schlüpfen der Küken beobachteten. Ich musste wieder schmunzeln.
Etwas später gesellte sich Wilhelm dazu. Schließlich hatte auch er noch keine Kükennacht wie diese erlebt. Ich sah die verheißungsvollen Blicke, die Renate ihm zuwarf. Das erinnerte mich an die Blicke, mit der Charlotte ihren Charles auf sich aufmerksam machen wollte. Bahnte sich etwa die nächste. Liebesgeschichte an?
Nach einigen Tagen beendete Renate dieses Projekt. Wie Wilhelm es versprochen hatte, durfte Sabrina die kleine Isolde behalten und mit nach Hause nehmen. Außerdem hatten sich Sabrinas Eltern, der Bauer Reinhold Emsig und seine Frau Eleonore, bereit erklärt, 10 der 27 im Brutapparat geschlüpften Küken im eigenen Hühnerstall großzuziehen.
Wie ich es vermutet hatte, fiel Isolde der Abschied von uns nicht schwer. Die 17 weiteren Küken aus dem Brutapparat fanden ebenfalls ein neues Zuhause, weil Wilhelm sie auf Pächter in der Umgebung verteilte.
Charlotte und Berta kehrten auf Wilhems Hof zurück, sie betreuten dort ihren Nachwuchs. Charlotte hatte inzwischen die Trauer um Charles überwunden, seit der Züchter, der ihn kaufte, begeistert erzählte, was Charles für ein Hallodri sei, vor dem keine Henne sicher ist.
Henriette und ich konnten dank Renates Fürsprache ebenfalls bei Wilhelm bleiben.
Als Isolde das hörte, versprach sie, uns hin und wieder zusammen mit Sabrina zu besuchen. So ganz gleichgültig waren wir ihr also doch nicht geworden.
Renate aber verbrachte immer mehr Zeit bei Wilhelm auf dem Hof und eines Tages zog sie endgültig bei ihm ein. Nächstes Jahr werden sie wohl Hochzeit feiern!
Wir waren glücklich, wieder zusammen zu sein: Berta und Charlotte mit ihrem Nachwuchs sowie Henriette und ich als Legehennen. Jeden Morgen produzierten wir ein leckeres Frühstücksei für Wilhelm und Renate, diesmal „von sehr glücklichen Hühnern gelegt“.