Veröffentlicht: 12.04.2025. Rubrik: Menschliches
*Lebensfreude
Vor märchenhafter Kulisse in der ersten Frühlingssonne, umgeben von den Chiemgauer Bergen im Rücken, Vogelgezwitscher in den Baumkronen, den Chiemsee in seiner Bläue vor uns, waren wir zur Erholung. Erholung, so hätte es früher geheißen, heute gibt es bedeutsamere Fachausdrücke dafür. Jedenfalls waren wir hier, um unsere Lebensfreude wiederzufinden, um unsere seelischen und körperlichen Kräfte zu regenerieren.
Wie könnte das besser gehen als im Einklang mit der Natur? Also ließ man uns ausschwärmen in den nahen Wald, wo sich jeder von uns einen Lieblingsbaum aussuchte, den wir umarmen lernten, mit dem Ohr an seiner Rinde seinem Raunen zuhorchend. Manch einer suchte vor dem Zubettgehen noch schnell seinen Baum auf, um seine Sorgen dort loszuwerden, denn ein Baum ist stark.
Manchmal spazierten wir zusammen ein Stück, verhielten in Stille; jeder suchte sich eine Ecke, nahm sich von dort eine Erinnerung mit. Dabei konnte es ich um einen besonderen Kieselstein aus dem Bach handeln, um abgebrochenes Röhricht vom Schilf, um eine Entenfeder, um irgendein Stück aus der Natur, das einem ins Auge fiel, einen im Augenblick ansprach. Zurück im Musikraum, versuchten wir sogleich, unsere Eindrücke in Spontanmusik umzusetzen, auch ein Heidenspaß. Aus dem notgedrungen wirren Getrommel, Gezirpe und Gezupfe, das heißt, aus einem volltönenden, musikalischen Fiasko heraus, ergab sich bald eine Einheit, so etwas wie richtige Musik, jedenfalls in unseren Ohren. Sogar aufgenommen haben wir unseren Sound, außerdem habe ich mir ein Kuralbum angelegt in jenen Tagen, um diese wunderschönen Eindrücke zu bewahren.
„Dir hat die Kur wirklich gutgetan. Du stehst ja schon ganz anders da“, staunten meine Töchter mich an nach meiner Rückkunft. Obwohl seitdem einige Jahre vergangen sind, erinnere ich mich gerne an meinen idyllischen Aufenthalt im Chiemgau, wie sehr ich dort aufgelebt bin, in mein Inneres heimkehren konnte; was für eine große Freude das war.

