Veröffentlicht: 07.01.2025. Rubrik: Menschliches
Schlummertrunk
Es kam gefühlt einer einzigen Katastrophe gleich, als ich einmal ins Krankenhaus musste, wegen einer Pyelonephritis, d.h. einer schweren Nierenentzündung; lasst es euch erzählen:
Zunächst war ich mit Bauchkrämpfen zum Hausarzt gepilgert, der abends, als die Blutwerte vorlagen, selbst bei mir daheim vorbeikam, um mich dringend und sofort in eine Urologische Klinik einzuweisen. Um der Allgemeinheit Kosten zu sparen, bin ich selbstständig mit dem Taxi hingefahren, wo ich in der Notaufnahme landete. Dort hörten sie mich gar nicht erst an, erklärten, sie gingen nach Augenschein, und ich wäre nicht wichtig. Sie hätten kein einziges Bett frei, da könnte ja ein jeder daherkommen. So fing es an.
Stundenlang saß ich fiebernd auf der harten Bank, ohne etwas trinken zu können, ohne beachtet zu werden. Später erwies sich, dass sie den Keim aus meiner Urinprobe verschlampt hatten, wohl weil ich ihnen nicht wichtig genug war. Irgendwann nach Mitternacht wurde ich aufgenommen. Ich verbot mir zu fragen, ob jetzt gerade ein Patient verstorben, und ob das Bett schon kalt sei. Im folgenden Verlauf stand täglich ein anderer Weißkittel neben meinem Bett, erklärte mir, dass er nichts für mich tun könne, weil der Keim nicht extrahiert worden war, aber nein, nach Hause dürfe ich auch nicht, das stünde gegen die Richtlinien bei meinen so hohen Entzündungswerten. Nierentee, Globuli oder andere pflanzliche Arzneien verabreichten sie nicht, nannten es medizinisch überholt. Viel trinken war auch nicht möglich. Daheim hätte ich mich erheblich besser versorgen können, mit meinen als Kurpfuscherei betitelten Hausmittelchen.
Dass ich meine mitgebrachten täglichen Tabletten in Eigenregie einnahm, passte ihnen auch nicht. Obschon es nichts Besonderes darstellt, wenn eine Person in der zweiten Lebenshälfte den Harnsäure-, sowie den Schilddrüsenwert ausgleichen muss. Zudem war mir von früher her, als ich eine schwere Zeit durchstehen musste, eine Einschlafhilfe geblieben. Nach fünf Tagen gingen mir meine Tabletten aus. Sie freuten sich, nun gehörte ich ganz ihnen. Ich bekam meine Ration in der Spenderbox, natürlich welche von anderen Firmen, die anders aussahen. Es kam die Nacht, ich wurde und wurde nicht müde.
Irgendwann klingelte ich im nächtlich schlafenden Haus verzweifelt nach der Schwester. Es kam eine Schroffe, mit dunkelhaarigem Bürstenkopf, die mich anherrschte, dass ich den ganzen Tag vor der falschen Tablette gesessen wäre ohne mich zu rühren, und jetzt, mitten in der Nacht, komme ich daher. Dennoch erklärte sie sich unwirsch bereit, mir den gewünschten Schlummertrunk zu verabreichen. Ich schlief wie ein Ratz, ein Murmeltier im tiefsten Winterschlaf war nichts dagegen, bis gegen Mittag schlief ich schnarchend tief und fest. Sagenhaft, wie es dieses Gebräu in sich hatte.
Als ich dann meine neue Tablettendosis entgegen nahm, fragte ich, ob ich die Schlaftablette gleich einnehmen sollte, um herauszufinden ob es auch eine sei; damit ich mich im Falle des Falles rechtzeitig rühren konnte und dem Gezänk mit der Nachtschwester somit entgehen. Da haben sie mich laut ausgelacht, aber ich habe fortan meine gewohnte Medikation erhalten. Wer meine Einschlafhilfe bekommen hat, statt der für ihn notwendigen Herz-, oder Kreislauftablette steht in den Sternen. Hoffentlich ist dem Patienten nichts Schlimmes passiert dadurch!