Veröffentlicht: 12.04.2025. Rubrik: Unsortiert
Shopping Queen
Wie jedes Jahr, kurz vor Schulbeginn, begab ich mich beschwingt und gut gelaunt auf große Einkaufstour mit meinen Enkeltöchtern. Unsere Mission war wie immer klar umrissen: Es galt, drei halbwüchsige Gören schnell, kostengünstig und möglichst konfliktfrei einzukleiden.
Zügigen Schrittes erreichten wir unser bevorzugtes Jagdrevier, die Kinderabteilung eines großen Bekleidungsgeschäfts. Während Mutter und Kinder begeistert ausschwärmten, um sich hochkonzentriert durch das Kleiderangebot auf den schwer beladenen Kleiderständern zu wühlen, ließ ich mich zurückfallen und flanierte ziellos durch den Verkaufsraum, um mir einen groben Überblick über die aktuellen Modetrends zu verschaffen. Meine Ansichten zu diesem Modenwahn interessierten sowieso niemanden und die von mir vorgebrachten Empfehlungen wurden meist rigoros abgeschmettert:
"Nee, das ist doch voll unpraktisch!" Oder viel zu bunt, altbacken oder alles zusammen.
Gut, dann halt nicht ... Also würde ich mich wie immer auf die mir zugedachte Rolle des Zahlmeisters beschränken. Die Shopping(tor)touren mit meiner Tochter vor vielen Jahren kamen mir in den Sinn, und diese nervenaufreibenden Aktionen zwischen Vollzeitjob und Hausarbeit trieben mir heute noch den Angstschweiß auf die Stirn.
Die gesammelten Kleidungsstücke hatten sich bald zu einem stattlichen Berg aufgetürmt und warteten im Buggy unserer Jüngsten auf die ihnen bevorstehende Anprobe. Unter den wachsamen Augen zweier Verkäuferinnen belegten wir gleich zwei der winzigen Umkleidekabinen und starteten unseren Ankleidemarathon.
Die Älteste schlüpfte geschwind in eine übergroße mausgraue Jeans, zog sich einen ähnlich gearteten Kapuzenpulli über und posierte ausgelassen vor dem riesigen Spiegel.
"Guck mal, Oma! Wie seh' ich aus?"
"Wie Eminem in jungen Jahren!", schoss es mir durch den Kopf, musste mir aber widerwillig eingestehen, dass diese Kluft die zierliche, hochgewachsene Gestalt der jungen Dame ganz wunderbar in Szene setzte. "Rüschenblusen und luftige Kleidchen kamen wohl gar nicht mehr in die Tüte!", dachte ich wehmütig.
Derweil hatte es sich die mittlere der drei Grazien auf dem Fußboden bequem gemacht, studierte seelenruhig die Kleideretiketten und sortierte die Sachen der Größe nach, wie immer um Ordnung und Harmonie bemüht. Unterdessen beschloss die Jüngste im Bunde, die dreijährige Hannah, sich diesem Modediktat kategorisch zu verweigern und zog sich bis auf die Unterhose aus. Dann flitzte sie fröhlich durch den Verkaufsraum, wo ich die kleine Ausreißerin nach einer schweißtreibenden Hetzjagd schließlich an der Rolltreppe stellen konnte.
Zurück in der Umkleide begann die Stimmung allmählich zu kippen. Die kleine Hannah warf sich kreischend auf den Boden und weigerte sich, ihre Kleidung wieder anzulegen. Die Mutter verfrachtete das Kind kurzerhand in seinen Buggy und wir schoben ab Richtung Kasse. Das tobende Kind deponierten wir zum Ausnüchtern für alle gut sichtbar im Mittelgang und stellten uns in die Warteschlange. Schon bald gesellten sich, von diesem ohrenbetäubenden Lärm alarmiert, zwei Verkäuferinnen zu dem aufgebrachten Mädchen und versuchten es zu beruhigen: "Du armes Kind! Wo ist denn deine Mama?"
"Geh weg, doofe Frau!", konterte das nun wild um sich schlagende Kind.
Nachdem der Bezahlvorgang endlich abgeschlossen war, gaben wir uns zu erkennen, und wurden vom Verkaufspersonal barsch zurechtgewiesen:
"Na endlich! Wir wollten schon den Sicherheitsdienst rufen!"
Schnell verstaute die Mutter alle Tüten im Buggy, bedachte die Damen mit einem nachsichtigen Lächeln, und wir traten die Heimreise an. Die kleine Hannah hatte ihren Kummer inzwischen überwunden und thronte nun würdevoll inmitten der vielen Einkaufstüten. Mission erfüllt!
Daheim angekommen, berichtete ich meinem Mann brühwarm von unserem Shoppingabenteuer. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für Quatschopa Peter, der seine Enkelin später beim Abendessen zur Rede stellte:
"Sag mal, Hannah, was war denn da los heute im Kaufhaus? Warum hast du so gebrüllt?"
Die Kleine grinste verschmitzt und knabberte ungerührt weiter an ihrer Stulle.
"Vorhin stand die Polizei bei uns vor der Tür und hat nach dir gefragt."
"Der Po-li-zei ... bei mir zu Hause?", stammelte sie um Fassung ringend, und das Käsebrot fiel zu Boden.
"Ja, genau ... Und der Polizist hat gesagt, wenn das nochmal passiert, müssen sie dich mitnehmen und ins Gefängnis stecken!"
Nun hatte der Opa ihre volle Aufmerksamkeit. Das arme Kind erblasste, riss die Augen auf und zog einen Flunsch. Das ging jetzt aber wirklich zu weit!
Doch gerade, als ich beschloss, einzuschreiten und dieses Drama zu beenden, hellte sich die Miene der kleinen Prinzessin plötzlich auf. Sie strahlte übers ganze Gesicht, fixierte den Opa mit ihren stahlblauen Äuglein und schimpfte wie ein Rohrspatz:
"Du dummer Opa! Der Polizeimann weiß doch gar nicht, wo ich wohne!"

