Veröffentlicht: 24.01.2025. Rubrik: Menschliches
Pheromon on Ice
Ich fühlte mich erst peinlich berührt, als sie sich an mir vorbei zwängte, und ihre Brüste an meinem Oberkörper entlangstreiften. Sie murmelte ein knappes „Tschuldigung“, ohne jedoch wirklich Notiz von mir zu nehmen. Auch wenn sie, durch die Enge bedingt, gar keine andere Wahl hatte, war mir dieser Moment unangenehm.
Ganz im Gegenteil zu dem, was meine Augen nach diesem unschönen Moment einfingen. Ihr graziler und wohlgeformter Körper, wurde perfekt, von ihrem Kleid umrahmt, und die im Verhältnis etwas zu langen, in schwarze Seidenstrümpfe gebetteten Beine, verliehen ihrer Bewegung etwas Raubtierähnliches. Nur Sekundenbruchteile später explodierten unzählige Pheromone in meinen Rezeptoren und versetzten meinen Körper in einen dermaßen extremen Erregungszustand, den ich wahrscheinlich das letzte Mal in meiner Jugend genießen durfte.
Augenblicklich fing ich an zu schwitzen und es dauerte nur Sekunden, bis ich wahrnahm, dass mein Deo bereits versagte. Ich ärgerte mich darüber, dass ich zum Sonderangebot, anstatt zu meinem seit Jahren bewährten Produkt, gegriffen hatte. Am falschen Ende zu sparen, wird immer bestraft, und so nahm ich es demütig und schlecht duftend hin. Ich trank mein Wasser aus und überlegte, gerade zu gehen, als sie zurück des Weges kam.
Ich hatte schon eine Menge schöner Frauen in meinem Leben gesehen, aber der Anblick, der sich mir jetzt bot, nahm mir schlichtweg den Atem. Ich vermutete auf ihrem Hinweg eigentlich eine junge Frau, aber jetzt offenbarte sich mir ein Wesen in der Blüte ihres Lebens. Die grauen Strähnen in ihrem schulterlangen Haar, waren echt und nicht gefärbt und die feinen Falten im Gesicht, umspielten den sinnlichsten Mund, den Mutter Natur sich nur ausdenken konnte.
Das Platzproblem hatte sich zwischenzeitlich nicht gebessert, und als mir klar wurde, dass sie sich gleich wieder an mir reibend vorbeidrücken musste, stieg meine Körpertemperatur in Regionen, die jedes Fieberthermometer an seine Grenzen gebracht hätte. Ihr schien die Situation plötzlich auch bewusst zu werden, und es zeigten sich deutliche Spuren von Unsicherheit in ihrem Blick, der inzwischen auf mir ruhte und meiner Körpertemperaturproblematik keine Abkühlung versprach. Alle anderen Gäste, nahmen keinerlei Notiz von uns, da sie sich in intensiven Gesprächen befanden.
„Entschuldigen Sie“ strömte es wie Gesang aus ihren Lippen, und keine Stimme hätte besser zu ihrer Erscheinung passen können, wie dieser melodische Singsang, der meine musikalischen Ohren schlagartig verzauberte. „Es ist mal wieder viel zu voll in dem Laden, ob die das denn nie lernen, nur so viel Leute reinzulassen, dass man auch noch auf die Toilette kann, ohne den halben Laden anrempeln zu müssen.“ Und in ihrem Tonfall spielte plötzlich Frustration die erste Geige, „Es tut mir aufrichtig leid, dass ich mich ebenso rüpelhaft an Ihnen vorbeipressen musste, aber ich war schon überfällig, und es hätte keine Sekunde länger dauern dürfen!“ Wechselte ihre Stimme fließend in ein schüchternes Streichkonzert.
„Ist das hier immer so voll?“ fragte ich viel zu laut nach, um meine Unsicherheit zu überspielen. „Sie waren noch nie hier? Ja, ich denke schon! Sie wären mir bestimmt aufgefallen, da ich fast jeden Samstag hier bin, und manchmal auch freitags. Ich heiße übrigens Katarina, wenn wir uns schon gezwungenermaßen so nahekommen müssen, sollten wir uns wenigstens vorstellen, oder?“ und ihr Blick verwandelte mich in einen Waschlappen mit Gummibeinen, der es gerade noch schaffte, ihr die Hand zu reichen und ein „Bad“ herauszubringen, „Bad Letters ist mein Name“
Ein nicht ganz unerwartetes Lachen breitete sich im Gang aus, und als sie sich wieder im Griff hatte, kam die Frage der Fragen, die immer kam “Entschuldige, was ist das denn für ein Name? Den hab ich ja noch nie gehört! Ist das ein Künstlername? Bei deiner Haarlänge könnte das gut passen. Bist du Künstler?“ Sie wechselte ungezwungen von einem Sie, in ein Du, und diese Reaktion entspannte mich deutlich, bevor ich wahrheitsgemäß antwortete „Nein, ich bin kein Künstler, aber meine Eltern waren ein bisschen Gaga zu der Zeit!“ erklärte ich ihr, wie schon tausend anderen Menschen zuvor. „Du trägst es ja mit Fassung, wie mir scheint!“ lächelte sie mich an, und ich gab, wie Hunderte Male zuvor zurück „Was bleibt mir andres übrig.“
„Wollen wir etwas trinken?“ überfiel sie mich völlig unerwartet, und ich traute meinen Ohren kaum. Das übernatürliche Wesen fragte mich Waldschratt, ob ich etwas mit ihr trinken möchte. Jeder Blitzeinschlag wäre wahrscheinlicher gewesen, als dieses Ereignis. Ich brauchte einen Moment, der sie zu verunsichern schien, bevor ich herausbrachte „Gerne, wartet denn niemand auf dich?“. „Nein, meine Freundin hilft ab und zu hinter der Theke. Aus diesem Grund ist das unser Stammlokal geworden. Heute arbeitet sie hier, und deshalb wartet sie sicher nicht auf mich. Sie wird sich wahrscheinlich denken, ich hätte einen Bekannten getroffen. Was möchtest du denn trinken?“
Ich gab ihr meinen Getränkewunsch und wie von Zauberei, hatte sie auf einmal ein kleines Handy in ihren schlanken Fingern, und tippte wohl die Bestellung ein. „Kommt sofort der Herr!“ begleitet von einem der erfrischensden Lacher, der je mein Ohr erreicht hatte. „Erzähl doch mal, was verschlägt dich hier her?“ und bevor ich zu einer Antwort kam, fügte sie ein „Bist du das etwa, der hier so unverschämt gut riecht?“ hinterher, und sie nahm völlig unverblümt einen vollen Zug meines längst, vom Schweiß überdeckten Deos in sich auf, während ihr Näschen fast meinen Hals berührte.
Ein zärtliches „Wow“ streichelte ihre Lippen, und als sie wieder auf Distanz ging und wir uns kurz in die Augen blickten, glaubte ich, ein zügelloses Verlangen in ihnen zu erkennen. Auf einmal herrschte eine beklemmende Stille, und sie senkte verschämt den Kopf, als wenn ihr erst jetzt bewusst geworden wäre, welches Signal sie mit ihrer spontanen Annäherung ausgelöst haben könnte. Mein Herz hämmerte wie ein Hochleistungsmotor, und instinktiv wusste ich, dass, wenn ich diesen Moment retten wollte, es auf meine nächste Reaktion ankam.
Hätte man mich doch in meinem Leben nur auf so etwas vorbereitet. Jetzt stand ich da, nach Worten ringend, und hätte sie am liebsten einfach nur in den Arm genommen. Stattdessen schaute ich betreten auf meine Füße und schwieg. Als wenn jemand den Pausenknopf losgelassen hätte, kam es Bruchteile später gleichzeitig aus unseren Mündern „Ganz schön heiß hier!“ verdutzt trafen sich erneut unsere Blicke, und diesmal blieb uns gar nichts anderes übrig, als gemeinsam laut loszulachen. „Dann scheint es ja gerade der richtige Zeitpunkt zu sein, dass ich die eisgekühlten Getränke bringe, oder vielleicht doch nicht?“ sprengte die Stimme der Kellnerin die Situation. Das auffällige und von Schalk geprägte Augenzwinkern in Richtung Katarina, ließ mich erahnen, dass es sich nur um ihre Freundin handeln konnte. Sie drückte uns unsere Getränke in die Hand, lächelte kurz in die Runde und verabschiedete sich mit einem „Viel Spaß noch ihr beiden!“
Wir zögerten nicht eine Sekunde, von unseren Getränken zu kosten, als wenn wir gerade erst die Sahara durchquert hätten. Dabei suchten ihre Augen wieder, die meinen, und als sie das Glas von ihren ungeschminkten und wunderbar geschwungenen Lippen wieder absetzte, läutete sie die nächste Runde ein „Ja, ganz schön heiß hier!“
-Ende-