Veröffentlicht: 19.01.2025. Rubrik: Lustiges
Escape-Room für Katzen
Unsere Haus-Hof-Straßen-Garten-Kater sind ganzjährig draußen unterwegs, wie sich das für glückliche, gesunde Katzen gehört. Und natürlich machen wir uns Sorgen, sobald es wieder etwas kälter wird und sie nicht auf unsere Pfiffe hin artig wieder in die Wohnung kommen, sondern sich stattdessen gar nicht erst im Garten blicken lassen, um Bescheid zu geben, dass sie noch am Leben sind.
Diese sich schnell in Absurditäten steigernde Sorge haben meine Frau und ich beide, sie jedoch schlimmer als ich. Deshalb darf ich auf gar keinen Fall panisch werden, was mir meistens auch ganz gut gelingt.
Neulich jedoch sagte mir mein Bauchgefühl, dass etwas nicht stimmt, nachdem unser älterer, roter Kater Sleepy nach anderthalb Tagen noch nicht wieder zu Hause aufgetaucht war. Meine Frau und ich liefen gerade vom Kiosk zurück nach Hause und sprachen darüber, ob wir heute Abend mal losziehen sollten, um ihn zu suchen, als wir auf einmal sein klägliches Jaulen aus einem der Kellerfenster links von uns vernahmen.
Ich rief überrascht “Sleepy” und seine Antwort war, ich bin mir sicher, ihn da ganz richtig verstanden zu haben:
“Jaaaaa, natürlich. Wer denn sonst, ihr Trottel. Oder vermisst ihr noch mehr rote Kater?!”
Meine Frau stand eine Schrecksekunde lang still da und starrte auf den winzigen Spalt des Kellerfensters, aus dem das nun immer forscher klingende Mauzen kam.
Ich schaltete einen Moment schneller und fing an bei allen Parteien des Wohnhauses Sturm zu klingeln. Es war nachmittags, die Chancen, dass jemand zu Hause war, standen nicht schlecht. Endlich summte der Türöffner und ich sprintete zur Kellertreppe. Schon bevor ich davor stand, konnte ich den Zettel lesen, der genau an der Tür angebracht worden war, hinter der Sleepy steckte. So viel räumliches Denken traue ich mir immerhin zu, dachte ich, während ich still über die Botschaft auf dem Zettel fluchte.
“Bitte diese Türe immer abschließen. Danke”
“Danke für nix!”
knurrte ich halblaut, bevor ich mich umwandte, um meiner Frau draußen vor dem Fenster einen Bericht abzuliefern und natürlich, um zu schauen, ob ich über die Sprechanlage jemanden aus dem Haus erreichen konnte. Doch es meldete sich niemand. Nur der Türsummer wurde wieder und wieder betätigt. Dieses Mal war meine Frau schneller. Kurzentschlossen stürmte sie die Treppe hoch, auf der Suche nach einem Menschen mit Kellerschlüssel. Ich stand unschlüssig vor der geöffneten Haustür und wollte sie nicht zufallen lassen, fand es aber auch unnötig, dass wir uns beide die Treppen hochquälten. Also hielt ich die Türe offen und redete parallel auf die Straße Richtung Kellerfenster, aus dem nun Sleepys wütendes Protest-Miauen zu hören war.
“Ich habe doch schon Bescheid gesagt, dass ich hier bin, könnt ihr mich jetzt bitte endlich hier rausholen?”
Ich konnte seinen Schmerz förmlich fühlen und mir zog es das Herz zusammen, während ich versuchte beruhigend auf ihn einzureden.
“Mein armer, kleiner Kater. Wir holen dich da jetzt raus. Die Mami läuft gerade die Treppe hoch und holt den Schlüssel. Versprochen, mein kleiner Engel. Wir schaffen das. Du musst jetzt nur noch ein kleines bisschen tapfer sein.”
Der Passant, der ganz offensichtlich kein einfacher Passant war, sondern Bewohner des Hauses, dessen Keller Sleepy unfreiwillig besetzt hatte, starrte mich verwundert an.
“Ich versuche tapfer zu sein. Danke. Dürfte ich trotzdem jetzt vorbei und rein ins Haus?”
sagte er und hob entschuldigend die schwere Kiste, die er vor sich hertrug. Ich hatte ihn einfach gar nicht wahrgenommen, bis zu dem Moment, wo er direkt vor mir stand. Ups, der arme Kerl. Schnell hüpfte ich auf die Seite und hielt ihm die Türe auf.
“Sorry, unser Kater sitzt bei euch im Keller und meine Frau versucht gerade einen Kellerschlüssel zu organisieren.”
Eigentlich wollte ich ihn noch fragen, ob er vielleicht auch einen in der Tasche habe, als sich die Situation anders löste, als ich erwartet hatte. Sleepy hatte offenbar lange genug auf seine Rettung gewartet und entschieden, dass es jetzt Zeit sei, selbst die Initiative zu ergreifen. Wenn das Personal nicht fähig ist zu handeln, muss man als selbstständiger Kater auch mal eine potenziell tödliche Falle in einen Escape-Room umdeuten und es mit der daraus gewonnenen Motivation schaffen, den etwas über-proportionierten Katzenhintern durch den schmalen Spalt des Kellerfensters zu schieben. Zack, stand Sleepy auf dem Bürgersteig und schaute sich etwas verdattert um, bevor er eine Sekunde später wie ein Pfeil unter ein geparktes Auto schoss, weil ein Kind auf einem Fahrrad vorbeifuhr.
Mein mir bis dahin unbekannter Nachbar und ich starrten uns etwas perplex an, während meine Frau mit einem riesigen Schlüsselbund die Treppe herunter gehastet kam.
“Die arme Frau, die ich da gestört habe, hat mir einfach ihren ganzen Schlüsselbund in die Hand gedrückt, weil sie gerade nicht wegkann, wegen des Babys. Also, wo ist die Tür?”
Ich deutete mit der Hand um die Ecke, die Treppe hinunter.
“Da hinten, aber wir können den Schlüssel wieder rauf bringen, denn Sleepy hat sich inzwischen selbst entlassen.”
Der Nachbar zeigte auf den geparkten Fiat vor der Tür.
“Da, unterm Auto.”
ergänzte er, bevor er seine zwischenzeitlich auf dem Boden abgestellte Kiste wieder aufnahm und fröhlich die Treppen rauf stapfte.
Wir wünschten uns einen schönen Tag, meine Frau nahm den Aufzug, um den Schlüsselbund wieder zurückzugeben und ich lockte in der Zeit Sleepy unter dem Auto hervor und brachte ihn zu einem Durchgang zwischen den Häusern, von dem aus er in die Gärten kommt, die an unseren grenzen.
Als wir fünf Minuten später die Gartentür öffneten, saß er schon davor. Wenn es ihm besonders schlecht geht, hält er eine Vorderpfote in die Luft, als könne er nicht richtig auftreten. Spannend ist, dass es nicht immer die Gleiche ist. Heute war es die Linke. Er humpelte an uns vorbei hinein in den Hausflur, schaute sich argwöhnisch um und fetzte dann in einem Affenzahn die Treppe hinauf in die Wohnung zum Futternapf.
Ein Dankeschön für diese misslungene Rettungsaktion können wir uns wohl abschminken.