Veröffentlicht: 09.01.2025. Rubrik: Persönliches
"Mir geht's prima." - Monolog
„Mir geht’s gut.“ Die größte Lüge, die jemals aus unseren Mündern gerutscht ist, direkt gefolgt von: „Ich hab das im Griff.“ Aber „Mir geht’s gut“ ist die Weltmeisterin der Floskeln. Sie ist die Königin des Smalltalks, der Mike Tyson unter den Konversations-Deckmänteln. Und wisst ihr, was das Beste daran ist? Sie funktioniert. Es interessiert keinen wirklich, ob Du ehrlich bist oder nicht. Also sagst du: „Mir geht’s gut“, auch wenn du innerlich denkst: „Ich möchte gerade auf diesem Stuhl explodieren und als traurige kleine Aschewolke davonfliegen.“
Ironischerweise wird diese Frage – „Wie geht’s dir?“ – am häufigsten gestellt, wenn es einem so richtig mies geht. Es ist fast, als hätte das Universum einen Sinn für Humor. Oder Sadismus. „Wie geht’s dir?“ „Ach, super, danke, dass du fragst! Ich bin gerade mitten in einer existenziellen Krise, aber hey, der Kaffee ist heiß, also, alles prima.“ Und dann fragen sie noch mal. Und noch mal. Bis du endlich kapitulierst und sagst: „Mir geht’s gut.“ Aber was sollst du auch anderes sagen? „Mir geht’s beschissen“ lädt nur zu einem Interview ein, das du nie geben wolltest. „Warum geht’s dir beschissen?“ „Weiß nicht. Alles? Die Welt? Mein Gehirn? Such dir was aus.“ Also sagst du: „Prima“, und du lächelst, als würdest du nicht gerade innerlich implodieren.
Heute hat mich jemand gefragt, wie es mir geht. Dreimal. Das ist schon fast ein neuer Rekord. Ich wollte einfach nur mein Sandwich in Ruhe essen. Und natürlich habe ich gesagt: „Mir geht’s gut.“ Aber dann, als die Person sich endlich damit zufriedengab und ging, konnte ich nicht mal mehr das verdammte Sandwich genießen. Das schlechte Gewissen hat mir den Appetit verdorben. Nicht nur, weil ich gelogen habe, sondern weil diese Person mir tatsächlich geglaubt hat. Sie hat mir geglaubt! Wie naiv muss man sein? Und irgendwie macht es das Ganze nur schlimmer. Es ist, als ob die Welt mir sagt: „Ja, du bist ein hervorragender Schauspieler. Oscarreif. Weiter so.“
Weißt du, was mir mal jemand gesagt hat? Sie meinte, ich sei „die Art von Mensch, bei dem niemand wirklich fragt, wie es dir geht.“ Und ich dachte: Was für eine brillante Beobachtung. Wieso ist das so? Weil ich immer so tue, als hätte ich alles im Griff? Weil ich der bin, der aufkreuzt, wenn andere Hilfe brauchen? Selbst wenn ich gleichzeitig denke, dass ich mehr Hilfe bräuchte als der Typ, dem ich gerade aus dem metaphorischen Schlamassel helfe? Vielleicht, weil ich der Typ bin, der sagt: „Ich pack das schon“, während meine Hände zittern, als würde ich ein verdammtes Erdbeben halten wollen.
Sie hat gesagt, dass sie meine Stärke bewundert. Dass sie mich bewundert. Das war… nett. Und in dem Moment habe ich tatsächlich geweint. Eine echte Träne. Vielleicht zwei. Es war wie ein Regen nach einer Dürre, aber dann – zack – war der Moment vorbei. Die Last blieb. Die Tränen trockneten. Und ich? Zurück zu meinem üblichen „Mir geht’s gut.“
Aber hier ist der Haken: Jedes „Mir geht’s gut“, das geglaubt wird, macht mich ein bisschen hoffnungsloser. Weil ich denke, irgendjemand – IRGENDJEMAND – würde vielleicht mal innehalten und sagen: „Nein, dir geht’s nicht gut. Lass uns reden.“ Aber niemand will das, oder? Niemand will hören, wie du in tausend kleinen Metaphern erklärst, dass du auseinanderfällst. Niemand hat Zeit für deine Trümmer. Und so sagst du: „Mir geht’s gut“, und die Welt nickt, als ob alles in Ordnung wäre.
Vielleicht ist das die größte Ironie: Die Leute, die behaupten, sie hätten immer alles im Griff, hoffen am meisten darauf, dass jemand sie fallen lässt. Aber das passiert nie. Warum auch? Wir sind doch die starken Typen. Und die starken Typen packen das schon. Immer. Oder? Oder?!“