Veröffentlicht: 01.12.2024. Rubrik: Aktionen
Süsser die Kassen nie klingeln
… jubelt der Einzelhandel. Endlich wieder Weihnachten. Die Medien haben es zwar geschafft, die Menschen auch zu anderen Anlässen in einen Konsumrausch zu versetzen, aber Weihnachten bleibt unerreicht, dank derer, die es sich noch leisten können.
Im August steigt der Bedarf an Kopfschmerztabletten, da sich – in erster Linie Frauen – den Kopf zermartern, mit was ein jeder Einzelne, der 18-köpfigen Familie, in diesem Jahr beschenkt werden soll. Dazu kommt eine Kleinigkeit für die liebe Nachbarin, beste Freundin, und, und, und.
Bereits am 1. September stupst der Handel die Bevölkerung diskret an: „Nicht vergessen, bald ist Weihnachten !“ und füllt, bei sommerlichen Temperaturen, seine Regale mit Nikoläusen, Adventskalendern und Lebkuchen. In den Firmen beginnt die Planung für eine Weihnachtsfeier bzw. der Suche nach einer Ausrede, warum man an diesem Abend keine Zeit haben wird.
Detailverliebte Frauen nehmen mit Schrecken zur Kenntnis, dass die Trendfarben für Adventskranz und Baumschmuck in diesem Jahr Pink und Silber sind. Also nichts wie los und neue Weihnachtskugeln und neue Kerzen kaufen. Oh, die grün-goldenen Deckchen und Servietten vom Vorjahr passen ja auch nicht mehr zu dem neuen Dekor. Gut, dass sie rechtzeitig daran gedacht hat. Unentschlossen vergleicht sie und wägt ab: “ Nehm‘ ich die mit Rentieren aus Jacquard Gewebe oder die mit den Sternen aus Damast ?“ Die Wahl fällt auf Letztere – sie sind zwar doppelt so teuer, sehen aber auch wirklich sehr edel aus. Auf dem Weg zur Kasse gibt es noch einen Sonderposten an Lichterketten. Irgendwo wird sich sicherlich noch ein freies Plätzchen dafür finden. Also rein in den Einkaufswagen, in dem gerade noch Platz für die Schleifenbänder ist. Die 12 Rollen Geschenkpapier werden unter den Arm geklemmt.
Damit die Einkaufsliste für das Weihnachtsessen geschrieben werden kann, kauft die Frau des Hauses in der 1. Novemberwoche 5 Kochbücher, von verschiedenen Sterneköchen. Es soll ja nicht irgendein Essen werden, sondern etwas Besonderes.
1.Advent – der Countdown läuft. Der Herr des Hauses hat eine Hebebühne bestellt, um an zwei aufeinander folgenden Tagen die Außenbeleuchtung vor und an dem Haus anzubringen. Ab jetzt glüht nicht nur die Weihnachtsdeko vor, sondern auch der Stromzähler im Haus.
2. Advent. Da der Hausfrau keine Zeit zum Backen bleibt, kauft sie Elisenlebkuchen, Feingebäck und Stollen beim Bäcker ihres Vertrauens. €192,- - , egal, Weihnachten ist nur einmal im Jahr.
3. Advent – Die Paketboten geben sich die Klinke in die Hand. Um das Gewissen, in Anbetracht des eigenen Wohlstands, zu beruhigen, überweist Papi noch auf die Schnelle eine kleine Spende an ein Kinderhilfswerk. € 20,- sollten reichen, man muss ja nicht übertreiben.
Endlich ist es so weit: Heilig Abend. Nach einem bescheidenen Essen und einer umso opulenteren Bescherung soll sich der Tisch am 1. Weihnachtstag biegen. Schwiegermama, Opa und noch andere Familienmitglieder kommen samt Anhang. Zur Begrüßung der Gäste gibt es Champagner und ein paar Kaviarhäppchen. Danach getrüffeltes Spargelcarpaccio, eine leckere Bio-Gans aus Polen und zum Dessert Kirschen aus Südafrika mit Vanilleeis. Der Wein stammt aus Chile, der Käse aus Frankreich und die edlen Obstbrände aus Österreich – man gönnt sich ja sonst nichts.
Am 2. Feiertag wäre die Familie zwar locker von den Resten des Vortags satt geworden, aber es ist ja Weihnachten, da bleibt an diesem Tag die Küche kalt.
Vati hat bereits im Oktober einen Tisch im Goldenen Ochsen reserviert. Dafür, dass der Menüpreis doppelt so hoch ist wie sonst, werden die Portionen halbiert, genau wie das Platzangebot. Im Hintergrund ertönt: “Lasst uns froh und munter sein,“ was wie eine Bitte des Gastwirts an die Besucher klingt, über solche Kleinigkeiten hinwegzusehen.
Weihnachten ist vorbei, aber das Geschäft geht weiter. Umtauschaktionen und das Einlösen von Gutscheinen halten den Handel weiter auf Trab. Und wenige Wochen später sind es die Buchhaltungen, die Überstunden für das Versenden von Mahnungen leisten müssen.
Same procedure as every year.