Veröffentlicht: 19.09.2024. Rubrik: Menschliches
Steppenherz
Ich verlor mein Herz in der Steppe der aufgehenden Sonne, und nur der Adler, der den Wind unter seinen Schwingen spürte, konnte mein Leiden sehen. Einsam zog ich durch die Landschaft, die Mahlzeit karg und der tägliche Kampf ums Überleben bestimmte den Tagesablauf. Ein Umherziehen von Quelle zu Quelle und in mir die Hoffnung tragend, irgendwann den Kummer zu verlieren, der mein täglicher Begleiter war.
Wenn die Sonne den Zenit erreichte, war ich im Wandel zwischen Abgrund und Hoffnung. Am Morgen stand mit mir die Hoffnung auf, dass der neue Tag mein Elend hinfort fegen könnte, während ich abends wusste, dass ich es erneut mit in die Nacht tragen werde. So verging Tag für Tag und Nacht für Nacht, und da ich den Kummer nicht abladen konnte, fraß er sich tief in mich hinein.
Schwärzte meine Seele und verdunkelte mein Gemüt selbst im hellsten Sonnenschein. Der Fluss der Worte fand den Weg nicht mehr aus mir hinaus und sprachlos ergab ich mich meinem Schicksal. Einem Schicksal, das mich bis ans Ende der Welt tragen sollte. Dort am Abgrund blickte ich in mein Ich, und in die lebendig gewordenen Albträume, die mir fortwährend Bilder meines Verlustes und Elends zeigten.
Der Wahnsinn besuchte mich und bat um meine Gastfreundschaft, die ich ihm gewährte. Im Gepäck trug er die Unberechenbarkeit, die fortan das Ruder übernahm und mich taub und stumm durch die Welt irren ließ. Bis zu dem Tag, an dem die Steppe gnädig meinen toten Leib aufnahm.