Veröffentlicht: 18.09.2024. Rubrik: Menschliches
Der Eitelkeit genüge getan
Wenn man sich als Mensch lange und intensiv mit etwas beschäftigt, fängt man unweigerlich an, dieser Tätigkeit einen Wert beizumessen. Wie hoch dieser Wert ist, lässt sich vereinfacht am Zeitaufwand abmessen, den man an wertvoller Lebenszeit dieser Tätigkeit opferte.
Mit dem Vergehen der Zeit verändert sich auch der Blick auf das, was man tut. Man bemerkt die eigene Entwicklung, wie sie voranschreitet und an Qualität gewinnt. So meint man jedenfalls, denn die Fähigkeit zur selbstlosen Kritik ist nicht unbedingt jedem in die Wiege gelegt.
Irgendwann fängt man an sich zu vergleichen, prüft die eigenen Arbeiten mit denen anerkannter Vertreter der Zunft und gelangt vielleicht zu der Erkenntnis, dass die eigenen Arbeiten nicht unbedingt weit hintenanstehen. In diesem Augenblick erweckt man einen Mechanismus, an dem sich andere später versuchen die Hände zu reiben.
Man sucht nach Bestätigung und jeden Tag zupft die Eitelkeit ein wenig heftiger am eigenen Rockzipfel, bis man ihr irgendwann vielleicht nachgibt. Bei mir hat es viele Jahre gedauert, bis sie mich übermannte und mich zwang, meine Arbeiten aus der Dunkelheit des privaten in das Licht der Öffentlichkeit zu heben.
Wahrscheinlich hat es bei mir so lange gedauert, weil ich das Geschäft mit der Eitelkeit schon viel zu gut kannte, bevor ich überhaupt als Schreiber aktiv wurde. Schlussendlich musste ich trotzdem nachgeben, aber zumindest half mir meine Erfahrung, aus Ernüchterung keine Enttäuschung werden zu lassen.
Ich schob die kleinen Erfolge in den Futternapf der Eitelkeit und als sie nach den Süßigkeiten schnappte, legte ich sie in Ketten. Seitdem klagt sie, ich solle ihr doch noch einmal nachgeben und sie befreien. Sie klagt vergebens, denn ich höre ihr schon lange nicht mehr zu.