Veröffentlicht: 07.09.2024. Rubrik: Menschliches
Herbsttupfer
Vereinzelte Sprenkel erster Herbsttupfer entdecke ich in den Kronen der Bäume und ich frage mich, nach welcher Reihenfolge der Baum wohl bestimmt, welches Blatt als erstes Welken soll. Vielleicht ist es aber auch die Sonne, die ihm diese Entscheidung abnimmt und ihn von dieser Last befreit.
Ich ziehe einsam meine Wege, ohne mich weiter mit Fragen zu belasten die keiner Antwort bedürfen. Ich muss weder alles wissen noch alles Hinterfragen, sondern kann auch einfach genießen, wie sich mein Auge an den ersten sichtbaren Herbstsprenkeln erfreut.
Der Herbst ist mir nahe, spiegelt er doch am intensivsten das Lied vom Werden und Vergehen, dass unser Leben vom ersten bis zu unserem letzten Atemzug bestimmt. Der Herbst nimmt und gibt im stetigen Wechsel und in seinem Rausch erwächst eine Melancholie, an der ich mich gern labe.
Das Moll in seiner Melodie überwiegt nur leicht dem Dur und so muss man sich noch nicht dem Trübsal ergeben, den der Winter manchmal fordert, und das Gemüt beschwert. Was soll ich Klagen, ist der Winter doch noch fern, und es ist sogar zu befürchten, dass er vielleicht gar nicht mehr kommt. Wir haben ihn wohl vertrieben mit unserem überbordenden Lebensstil, der nur noch ein Ziel zu kennen scheint: „Ich will mehr, viel mehr!“.
Wir werden wohl irgendwann an diesem Lebensstil ersticken, kennen wir doch kein halten, wenn es darum geht, unsere eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Anstatt zu bewahren, vergewaltigen wir unseren Lebensraum in einem Maße, wie er auf Dauer nur unser Vergehen bewirken wird.
Dann wird es still werden auf diesem Planeten, das Grün wird wieder wachsen und gedeihen, wie in seinen besten Tagen. Der Wald wird seine Früchte für den kläglichen Rest Lebens bereithalten die unsere Epoche der Zügellosigkeit überleben konnte. Eine Zukunft, die sich dem Rhythmus des Lebens in der Natur wieder beugen muss und vielleicht, aber nur vielleicht, begreift der Mensch dann, dass er im Winter keine frischen Erdbeeren naschen muss, um langfristig zu überleben.