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2xhab ich gern gelesen
geschrieben von Bad Letters.
Veröffentlicht: 08.06.2024. Rubrik: Menschliches


Kirok, der Trommler aus dem Slum

Kirok lebte am Rand der Slums von Kibera in einer Wellblechhütte. Er lebte nicht immer dort, aber nachdem sein Vater erschossen wurde, zog die Spirale des Elends seine Familie immer weiter in den Abgrund. Seine Mutter verdiente nicht genug, um anderswo die Miete bezahlen und ihre beiden Kinder am Leben erhalten zu können. Es war zu ihrem einzigen noch verbleibenden Lebenszweck geworden.

Nachts, wenn sie allein war, weinte sie oft, aber tagsüber war sie die liebevollste und stärkste Person, die man sich nur vorstellen konnte. Kiroks kleine Schwester war noch zu klein, um zu begreifen, dass sie als Familie bereits am Ende eines menschenwürdigen Lebens angekommen waren. Es gab keinerlei Privatsphäre und überall musste man sich in Acht nehmen, um nicht in Situationen zu geraten, die einen schnell das Leben kosteten.

Trotzdem war Kirok nicht unglücklich, denn er hatte schnell viele Freunde gewonnen und in den Slums hielt man zusammen. Man teilte das wenige, das man besaß, und obwohl die Lebensumstände kaum hätten widriger sein können, hörte man oft ein Lachen aus den notdürftig zusammengeschusterten Hütten, die zumeist aus irgendeinem Wohlstandsmüll bestanden.

Auch wenn Kirok gerne Fußball oder Verstecken spielte, konnte ihn nichts mehr begeistern als Musik zu hören. Doch hier in den Slums konnte sich niemand ein richtiges Instrument leisten und so wurde Musik mit allem gemacht, dass nur irgendwie ein klangvolles Geräusch abgab. Auf gammeligen Kunststoffeimern und verrosteten Kochtöpfen wurde getrommelt, auf Plastikflaschen in verschiedenen Tonhöhen geblasen, indem man Wasser unterschiedlich hoch einschüttete und in Schläuche mit Trichtern wurde trompetet.

Erstaunliches zauberte man im Zusammenspiel und die allabendlichen Slumkonzerte ließen die Seele das Elend ertragen. Doch das war nichts im Vergleich, wenn mal ein echter Trommler mit seinen Trommeln durch die Slums zog. Dann glänzten Kiroks Augen, wie die Sterne am Nachthimmel und er träumte tagelang davon, irgendwann einmal auf einer richtigen Trommel spielen zu dürfen.

So wie die Träume kamen so vergingen sie auch wieder, denn die Realität in den Slums holte einen mehrmals täglich ein. Es war einfach nicht möglich, zu vergessen, wo man lebte und begriff, dass es kaum ein Entkommen aus den Fängen der Armut gab, wenn man nicht als Krimineller oder Prostituierter enden wollte.

Eines Tages kam ein alter Trommler des Weges und erzählte den Bewohnern, dass er als Kind auch hier gelebt hätte und nur gekommen sei, um einmal für sie zu spielen. Er erzählte ihnen seine Geschichte, wie er es dank des Trommelns geschafft hatte, sich ein neues Leben außerhalb der Slums aufzubauen.

Sein Spiel war unbeschreiblich und so etwas hatte noch niemand zuvor in den Slums gehört. Als er seine Vorstellung beendete, glänzten Kiroks Augen wie ein Sternenmeer und der alte Trommler wusste instinktiv, dass er an seinem Ursprung einen Schüler und Nachfolger gefunden hatte.

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