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4xhab ich gern gelesen
geschrieben von Bad Letters.
Veröffentlicht: 26.05.2024. Rubrik: Menschliches


An einer Straße kannst du erfahren

Endlos zieht sich die eiserne Schlange von Fahrzeugen an mir vorbei und bringt Lärm und Gestank mit sich. An jeder Schuppe ihres dahinrasenden Körpers hängen Geschichten, die mir aber durch ihr Tempo verborgen bleiben. Nur selten kommt sie zum Stehen und ermöglicht kurze Einblicke, die Fragmente von Schlussfolgerungen mit unsicherem Wahrheitsgehalt zulassen.

Da ist die Frau, die an einem Coffee to go nippt und ausschaut, als wäre sie gerade vom Frisör gekommen, obwohl bei diesem noch das „Geschlossen“ Schild im Fenster hängt. Ihr Outfit ist perfekt und die Maske aus Makeup, lässt nur einen Schluss zu, sie hat viel Übung darin, sich hinter einer Fassade zu verstecken. Sie wird sicher 2 Stunden gebraucht haben, bis sie sich ihre Schlaffalten aus dem Gesicht massiert und jedes Haar einzeln zurechtgelegt hat. Ihrer Kollegin wird sie später im Büro erzählen, was für einen Stress sie schon morgens hatte, obwohl sie die Einzige ist, die ihn sich macht, denn schließlich könnte sie auch im Nachthemd erscheinen und wäre immer noch dieselbe Person, nur wesentlich entspannter.

Hinter ihr hält ein Mittelklassewagen, die Fahrerseitenscheibe runtergekurbelt und die Musik, die aus dem Fahrgastraum schalt, ist mindestens genauso mittelmäßig wie das Fahrzeug, obwohl der Fahrer das sicher ganz anders sehen wird. Die Kippe klebt nur noch an einem Hautfetzen seiner Lippe und der Arm, der aus dem Fenster ragt, ist fast abgefroren. Im Sommer mag das cool sein, im Winter erscheints mir fragwürdig, doch der Jugend muss man solches Verhalten nachsehen, dafür ist sie schließlich die Jugend, was sollte sie sonst ausmachen?

Der nächsten jungen Frau stehen die Haare zu Berge und die Anspannung ihres Nervenkostüms spüre ich bis zu mir. Die Kinder auf der Rücksitzbank scheinen in ihrer eigenen Welt zu leben, die von Mama rundum versorgt wird. Ich habe eigentlich immer geglaubt, dass Eltern dazu da sind, ihre Kinder zu beschützen, sie zur Selbstständigkeit zu erziehen und auf das Leben vorzubereiten. Irgendwie muss ich da falsch liegen, wenn ich sehe, wie viele Eltern sich zum Sklaven und Taxifahrer ihrer Kinder degradieren lassen.

Der Brummifahrer ganz hinten zieht ein Gesicht, das man Angst haben muss, dass er beim Anfahren seine eigenen Mundwinkel überrollt. Seine ganze Mimik scheint längst vergessen zu haben, wie man ein Lächeln erzeugt. Mitleid macht sich in mir breit, denn die vielzitierte Freiheit auf den Schnellstraßen und deren Fernfahrerromantik lassen sich zwar noch besingen, aber nur schwerlich erleben.

Den Mann in der Luxuslimousine kann ich kaum erkennen, aber seine Stimme erhebt sich noch über die Musik des Jungspundes und so wild wie er gestikuliert, scheint das, was er zu brüllen hat, nicht von freundlicher Natur zu sein. Anscheinend hat jemand einen Fehler begangen und wird nun zur Schnecke gemacht. Den größten Fehler begeht aber wahrscheinlich der Mann hinterm Steuer seiner Nobelkarosse, weil er glaubt, eine Führungspersönlichkeit zu sein. Die Ampel wird grün und ich warte auf neue fiktive Geschichten, die mir an der nächsten Kreuzung ganz sicher frisch aufgetischt werden.

counter4xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von RudiRatlos am 26.05.2024:
Kommentar gern gelesen.
Na warte erst mal, wenn ich mit dem Mofa vorbeiknattere. Rote Gummistiefel an, Brathähnchen auf'm Kopf (als Helm) und ne brennende Fackel in der Hand. In welche deiner Schubladen steckste mich dann ..?




geschrieben von Bad Letters am 26.05.2024:

In der Schublade für Krimskrams ist noch Platz Rudi, die anderen sind rappelvoll! 😉 Danke!

MfG
Bad Letters

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