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2xhab ich gern gelesen
geschrieben von *olli*.
Veröffentlicht: 19.05.2024. Rubrik: Unsortiert


Pfingskoaw

Pfingstkoaw         19.5.24

Moorlage – so hieß die Straße der Kinder, die sich am Pfingsttag aufmachten und von Haus zu Haus einen Handwagen schoben, hinterher gingen und sangen: „Pfingstkow….“
Wie der Text weiter hieß, weiß keiner mehr, aber es war ein schöner Brauch. Und in den armen Nachkriegsjahren waren alle froh, mal ein „Naturalien“-Geschenk zu erhalten, was da vielleicht ein Ei oder ein Stück Obst war – keiner erinnert sich mehr genau daran.
Moorlage ist eine Straße, heute könnte man den Bezug zur Landschaft nicht mehr erkennen wegen der dichten Bebauung. Damals waren wirklich moorige Wiesen hinter den Grundstücken mit herrlichen Gräben, Wiesenpflanzen, Fröschen und Grashüpfern – ein Paradies für Kinder.

Die Kinder waren schon mindestens eine Woche lang damit beschäftigt, einen alten Handwagen zu putzen. Gottseidank hatten sie – in der Moorlandschaft südlichsten Hamburgs – den Engelbeck, einen Bach mit sichtbarer Strömung, der kurz vor Marmstorf irgendwo entsprungen war und in den Außennmühlenteich mündet. Immer noch übrigens. Damals war der Engelbeck oft bunt gefärbt. Weiter südlich, in Sinstorf, gab es eine Wäscherei und Färberei. Die ließen ihre Reste in den Bach ab.
Insofern machten die Kinder den Bach nicht kaputt, wenn sie den Wagen und oft auch sich selbst darin reinwuschen. Die Kinder hatten ja keine Ahnung vom heutigen Umweltbewußtsein – sie achteten nur darauf, keinen Blutegel zu erwischen, vor dem alle höllischen Respekt hatten.
Wie sich die Welt ändert, heute wird wieder mit Blutegeln behandelt – in der alternativen Medizin zumindest -! Ich aber habe immer noch Respekt vor solchen Unholden!

Die Kinder also hatten sich vor Pfingsten dort versammelt und putzen den alten Handwagen, der aus einem Lagerschuppen irgendwo besorgt worden war. Danach gings dann ums Schmücken.
Der Wagen wurde mit Maigrün, also vermutlich Birkenzweigen, besetzt, in Erinnerung habe ich einen Rundbogen über dem Ladebereich. Darunter saß das kleinste Kind, die anderen liefen mit herum oder zogen den Wagen.

Abgesehen von den nützlich Naturalien war aber dieser Brauch Zeichen einer viel wichtigeren Gegebenheit: die Kinder hatten ja nicht viel, aber letztlich viel mehr als die „reichen“ Kinder heute:
man war Teil einer Gemeinschaft, die Rituale und Sitten mochten in mancherlei Hinsicht hemmend sein, für die Kinder waren sie nützliche Fügung und Glück an sich.

Es ist mir nicht gelungen, den Ursprung dieser Sitte herauszufinden. Sicherlich entspricht sie einer ländlichen Sitte. Zu gern wüßte ich weiteren Text, den die Kinder gesungen haben.
Möglicherweise stammt der Brauch gar nicht aus Norddeutschland, sondern wurde im Rahmen von Umsiedelung nur hierher übernommen – und ist anscheinend inzwischen auch hier ganz vergessen! Wie Schade.

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