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1xhab ich gern gelesen
geschrieben von rubber sole.
Veröffentlicht: 27.10.2023. Rubrik: Unsortiert


Pedant

Es gehört zu meinem Alltag. Und das täglich. Ich kämme Teppichfransen. Ich liebe das Exakte. Das bringt Struktur in mein Leben. Alles muss seine Ordnung haben. Dies war schon immer so. Weiß ich aus Einträgen in meinen Tagebüchern. Davon habe ich reichlich. Alle akkribisch geführt. Und von Berichten meiner Verwandschaft. Selbst aus Zeiten früher Kindheit. Es gibt Zeugen. Ich habe schon immer Teppichfransen geordnet. Bereits im Krabbelalter. Anschließend gekämmt. Damals noch spielerisch. Vermutlich.

Auch sonst war ich extrem ordnungsliebend. All die Jahre. Nie musste jemand hinter mir herräumen. Meine Mutter mochte das. Alle Wäschestücke akkurat auf Stoßkante sortiert. In Schränken und Schubladen. Selbst in der Schule hielt ich eine penible Ordnung. Später dann auch im Beruf. War dort hilfreich. Akten. Bücher. Stifte. Alles akkurat geordnet. Nach Umfang. Länge. Farben.

Und dann habe ich mich verliebt. In meine heutige Ex-Frau. Unsterblich. Vor allem wegen ihres Geruchs. Der erfüllte mein Leben. Machte es komplett. Bis zum Schluss. Manches andere gefiel mir auch. Nach einunddreißig Jahren der Super-Gau. Meine Frau erkrankte. Nicht lebensbedrohlich. Aber mit chronischem Verlauf. Ein Exanthem unbekannter Genese. Für den Rest ihres Lebens. So die Diagnose der Ärzte. Schwammig. Klang wie Reizdarmsyndrom. Ähnlich hilflos. Nur anderes Organsystem. Nicht heilbar. Dafür lebenslang Salben und Tinkturen. Täglich. Diese eliminieren jeglichen Geruch. Den vermisste ich sehr. Parfüms und Seifen sind kontraindiziert. Alles an ihr roch von da an vollkommen neutral. Meine innere Balance lief aus dem Ruder. Eine Katastrophe. Auch mein Geständnis. Habe meine Frau nur wegen ihres Körpergeruchs gerheiratet. Zumindest hauptsächlich. Hätte ich so nicht sagen sollen. Der Nachsatz kam dann zu spät. War auch völlig daneben. Sie brach zusammen. Psychisch. Es folgte eine Paartherapie. Die Therapeutin erkannte eine schwere Macke. Bei mir. Das war's dann. Mit unserer Ehe. Scheidung unabwendbar.

Heute begegne ich gelegentlich meiner früheren Ehefrau. Meistens mit ihrem neuen Partner. Ich sehe beide dann auf einer Parkbank sitzen. Stets innig verbandelt. Körperlich. Sein Gesicht tief in ihrer Halsbeuge versenkt. Er schnüffelt intensiv. Und anhaltend. Und das bei einem absolut neutral riechenden Menschen. Ich höre sein Geschnuffel förmlich. Wirkt angestrengt. Ich hatte es leichter. Da riecht jetzt aber rein gar nichts mehr. Da ist nicht der Hauch eines Dufts. Das weiß ich genau. Hundertprozentig. Meine Ex-Frau tut mir leid. Sie ist an einen Fetischisten geraten.

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