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6xhab ich gern gelesen
geschrieben von rubber sole.
Veröffentlicht: 22.09.2023. Rubrik: Unsortiert


Ego

Ich bin Egozentriker. Dazu bekenne ich mich. Und das ist gut so. Nicht, weil es eine sympathische Eigenschaft wäre. Eher das Gegenteil. Jedenfalls von außen betrachtet. Für mich habe ich im Leben vieles erreicht. Ich habe es geschafft, wie es so schön heißt. Gut vernetzt und einflussreich. Ich bin erfolgreich. Wohlhabend. Zufrieden. Meinem übergroßem Ego fällt es leicht, stets im Mittelpunkt zu stehen. Dort zu bleiben. Der Rest der Welt dreht sich in Kreisen um mich. Als Fixstern. Konzentrisch. Das fühlt sich gut an. Mein Umfeld benutze ich als Projektionsfläche. Gefühle als Luxusgüter. Und es ist nicht ein Dasein in einer Nische. Keineswegs ein Leben in einem exotischem Biotop. Gleichwohl, ich bin nicht größenwahnsinnig. Ich muss nicht mehr erreichen. Der Status quo genügt mir. Erweiterungen sind mir nicht mehr wichtig. Glaubte ich zumindest lange Zeit.

Und dann die Wende. Eine schicksalhafte Begegnung. Nicht vorhergesehen. Mit einem nie erwarteten Verlauf. Es war ein Pfarrer. Ein Geistlicher. Der führte meinen inneren Kompass in die Irre. Es geschah nicht sehenden Auges. Aber nachhaltig.
Ich stolperte über ein Zitat aus dem Neuen Testament. Vom Pfarrer: “Am Anfang war das Wort“. So ein Unfug. Lange vor dem Wort gab es etwas anderes. Zeit und Raum. Die Entstehung des Universums. Das waren meine Widerworte. Überheblich. Der Priester federt ab. Gekonnt. Geschmeidig. Der Spruch eine ungenaue Übersetzung. Aus dem Griechischem. Erkenntnis des Apostels Mathäus. Von 'logos' ist dort die Rede. Übersetzt bedeutet dies ebenso Geist wie Wort. Ich kapiere. Als selbstherrlicher Bestimmer. Aber ich verbeiße mich in das Wort 'Wort'.

So etwas fehlte mir noch. Die Beherrschung der Worte. Ich begebe mich unter das schreibende Volk. Ich empfinde bald Vergnügen daran, zu formulieren. Erdachtes niederzuschreiben. Wie vom Wahn getrieben. Immer schön egozentrisch. Ohne große Unterbrechungen. Vor mir ist kein Genre sicher. Ich fühle mich als Autor. In meiner Hybris. Fühlt sich gut an. Kannte ich bisher nicht. Daran ergötze ich mich. Und stoße an die Grenze des Machbaren.

Und was bleibt? Ein gescheiterter Egozentriker. Ein Hobbyautor. Ohne Maß. Jemand, dem der selbst geschaffene Mittelpunkt irgendwann auf die Füße fällt. Ich entferne mich von meinen Mitmenschen. Werde schwerhörig gegenüber Problemen anderer. So einer ist zu Einsicht nicht fähig. Eigentlich. Demut passt da nicht rein. Und so schreibe ich weiter. Pausenlos. Alles brotlose Kunst. Kaum jemand mag es lesen. Das Überraschende: es stört mich nicht. Nicht mehr. Ich habe meinen Lebenssinn verstanden. Und das befreit.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Erzähloma am 23.09.2023:
Kommentar gern gelesen.
Ach, ich lese deine Geschichten recht gerne, rubber sole.
Mit lieben Grüßen!




geschrieben von Stephan Heider am 23.09.2023:
Kommentar gern gelesen.
Super!
Ich mag diesen Kurzsatz-Stil. So denke ich auch. Nicht sprechen, aber denken.
Ist das autobiografisch angehaucht oder rein fiktiv, wenn ich fragen darf?
Ich habe eine Vermutung.
LG Stephan




geschrieben von rubber sole am 23.09.2023:

> Stefan Heider:
Freut mich, dass dir meine Geschichte gefällt, Stefan. Zum Schreiben gehört unbedingt Denken. Besser noch Überdenken. Minimalistisches Schreiben fühlt sich gut an. Fast wie Detoxing. Hier von mir als Fingerübung gedacht. Autobiografisch oder fiktiv? Schwer zu beantworten. Fiktion mit autobiografischen Reflektionen. Könnte es sein. Vielleicht. Und: Ich vermute, du vermutest richtig. Auch Schreiben hinterlässt DNA-Spuren.
LG. rubber sole

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