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1xhab ich gern gelesen
geschrieben von rubber sole.
Veröffentlicht: 21.08.2023. Rubrik: Nachdenkliches


Nachlass

Am Ende der Straße steht ein Haus am Park. Ein solider Bau. Vermutlich aus den Dreißigerjahren. Das Anwesen wirkt verlassen. Nicht ungepflegt. So der erste Eindruck des Wohnungsauflösers. Er geht von einem guten Geschäft aus. Die Auftraggeber wirkten überaus generös. Ein Künstlerehepaar aus Berlin. Die Immobilie würde auf dem Markt angeboten werden. An der Inneneinrichtung sind sie nicht interessiert. Zu piefig das Ganze. Darüber könne er nach Gutdünken verfügen. Und überhaupt. Zu dem Verstorbenen bestand kein Kontakt. Großonkel ohne weitere Familienanbindung.

Und der Entrümpler macht sich an die Arbeit. Zuerst sondieren. Er entdeckt nichts Hochkarätiges an Mobiliar. Durchschnittliche Flohmarktware. Oder Ebay. Eine knappe Woche Arbeit. Dann ist alles besenrein. Nach Abnahme gibt es das Honorar. Er ist zufrieden. Ganz zum Schluss noch ein Fund. Unerwartet. Einige verstaubte Kartons. Inhalt: die kompletten Jahrgänge der Groschenhefte 'Der Landser'. 1957 – 2013. Verwunderung bei ihm. Solange gab es diesen Schund? Egal. Käufer werden sich auch dafür wohl finden lassen. Ewiggestrige sterben nicht aus. Er blättert oberflächlich durch einige Hefte. Fürchterliches Machwerk. Heroisierung der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Kampfesmut. Blut. Treue. Kameradschaft. Falscher Pathos tropft aus den Heften. Manche kriegen anscheinend nie genug davon.

Dann noch ein Hefter. So einer mit blauem Pappdeckel. Von Leitz. Inhalt akkurat sortiert. Kontoauszüge von 1958 bis heute. Überweisungen für Buchtantiemen. Für Schundhefte? Nicht vorstellbar in dieser Größenordnung. Er notiert Namen des Auftraggebers. Nicht identisch mit dem des Verstorbenen. Trotzdem. Das geht an die Familie.

Auf dem Weg zum Transporter ein Gespräch mit einem Nachbarn. Schade um den alten Herren. War immer nett. Auch großzügig mit Spenden. Regelmäßig an soziale Einrichtungen der Gemeinde. Vorher der Wohlstand käme? Weiß hier niemand. Man munkelt von früheren Ostgeschäften. Kaviar? Pelze? Ikonen? Egal. Schade nur, dass die Spenden wohl ausbleiben werden.

Später googelt der Auflöser den Auftragsnamen der Überweisung. Eine Riesenüberraschung. Ein Pseudonym für einen Romanautoren. Bestsellerautor. Noch heute viel gelesen. Vermutlich von Ewiggestrigen. Ideologie ähnlich wie in 'Der Landser'. Und dann der Clou. Der Autor war unter Klarnamen bekannter Schriftsteller im Dritten Reich. Mitglied der NS-Reichsschriftumskammer unter Joseph Goebbels.

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