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4xhab ich gern gelesen
geschrieben von rubber sole.
Veröffentlicht: 19.10.2023. Rubrik: Unsortiert


Zielgerade

Das Ende naht. Das weiß der alte Mann seit geraumer Zeit. Vermögender Kunstsammler und Galerist. Nun der Abschied. Und alle kommen sie. Familie und engste Freunde. Sein letzter Wunsch: Mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu sterben. So kennen sie ihn. Lebensbejahend und positiv denkend. Bis zum Schluss. Selten hintergründig. Oder verschlossen.

Trauer auf den Gesichtern. Auch Rührung und Anteilnahme. Und tatsächlich, des Sterbenden letzte Züge wirken entspannt. Er lächelt zum Ende hin. Wie von ihm erhofft. Zurück bleibt angefasste Betroffenheit. Sie hatten ihn bewundert. Manche ihn vergöttert. Den stets großzügigen Menschen. Mäzen. Förderer. Sponsor. Bonvivant. Und nun das Finale.

Letzte Worte der Ansprache. Sein letzter Wille: keiner von ihnen soll erben. Alle sind wirtschaftlich gut gestellt. Entsetzen macht sich breit. Verdrängt die Trauer. Das haben sie nicht verdient. So die einhellige Meinung. So kannten sie ihn nicht. Sie wollen es nicht wahrhaben. Aber ist da nicht ein Testament? Absichtserklärungen? Kinder, Enkel, Frau und Ex-Frauen. Für alle eine schallende Ohrfeige. Oder schlimmer. Vom Sterbelager. Der hat sie nicht mehr alle. So jetzt ihrer aller Ausspruch. Fast synchron. Na Klar. Nach seiner letzten Reise. Nach Indien. Ausgerechnet. In ein Ashram. Gesundheitlich schon angeschlagen. Aber nicht aufzuhalten. Und dann noch alleine. Auf solch eine Reise. Er, der sonst so Gesellige. Der Familienmensch.

Dann die Testamentseröffnung. Die beeidigte Testatfähigkeit des Erblassers wird verlesen. Inhalt der letzten Verfügung: Übereignung des Gesamtvermögens an eine israelische Stiftung. Bereits vollzogen. Diese erstreitet Ansprüche für enteignete jüdische Bürger. Im früheren Deutschen Reich. Nun der Notar: Fakten juristisch abgesichert. Vollumfänglich. Notariell testiert. Anfechtung aussichtslos. Zum Abschluss ein verlesenes Postulat des Verstorbenen. Motiv für Entscheidung: Das Wissen um die Herkunft des riesigen Vermögens. Kontaminierter Besitz. Arisiertes Eigentum. Beutekunst. Vom Vater erworben. Unrechtmäßig. Im Dritten Reich. Nun endlich Befreiung. Von lebenslanger Schuld. Vom moralischen Druck. Dies musste ein Ende haben. Später Entschluss für ein geläutertes Ich. Auf der Zielgeraden.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Stephan Heider am 19.10.2023:
Kommentar gern gelesen.
Wieder angetan und begeistert. Du hast mit deiner Erzählart wirklich ein absolutes Alleinstellungsmerkmal.
Sehr sehr gerne gelesen.
LG Stephan





geschrieben von Ernst Paul am 19.10.2023:
Kommentar gern gelesen.
Einfach spitze. Sehr gern gelesen.




geschrieben von rubber sole am 19.10.2023:

>Stefan>Ernst:
mit kurzen Worten, eure Kommentare habe ich sehr gerne gelesen – danke!
lgrs

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