Veröffentlicht: 26.02.2023. Rubrik: Total Verrücktes
Er kam, sah und siegte! (Venit, vidit, vincit)
„Ihrer Hühner waren drei und ein stolzer Hahn dabei“, dichtete einst Wilhelm Busch. Dazu erfand er die Witwe Bolte, die die Besitzerin dieses Federviehs war.
Es war tatsächlich ein sehr stolzer und äußerst attraktiver Hahn dabei, der sich seiner Wirkung auf die Hennen durchaus bewusst war. Er gehörte einer Rasse an, die vom Aussterben bedroht war und die sich Bergischer Kräher nannte.
Sein Krähruf war mit dem Kikeriki eines normalen Hahns nicht zu vergleichen. Sein Ruf dauerte rund fünf Mal so lange und wurde im Schreiten vorgenommen. Er begann mit einer tiefen Tonlage, steigerte sich langsam in eine höhere und fiel dann wieder in eine tiefe Tonlage zurück. Auf diese Weise hatte er schon manchen Krähwettbewerb gewonnen.
Oft beobachtete er amüsiert, dass zwei oder auch alle drei Hennen miteinander in Streit gerieten und sich böse angackerten. Sie waren aber sofort ruhig und taten so, als sei nichts gewesen, wenn er, der prachtvolle Hahn, vorbeischritt. Er fühlte sich deshalb als Friedensstifter. War das etwa seine wahre Berufung?
Er war ein absolut erfolgreicher Hahn, dem die Hennen zu Füßen lagen, das war ihm bewusst. „Ich kam, sah und siegte!“ verkündete er oft und gern voller Stolz.
Eines wurmte ihn aber sehr. Das war sein Vorname. Witwe Bolte hatte ihn Ludwig genannt in Erinnerung an ihren verstorbenen Mann, der in den Augen des Hahns ein absoluter Looser war. Wie konnte sie ihm das antun? Er fand es undankbar gegenüber ihrem Schöpfer Wilhelm Busch. Und er hätte viel lieber Wilhem geheißen, denn irgendwo hatte er von Wilhelm, dem Eroberer gehört. Ja, auch er fühlte sich als Eroberer, denn er kam, sah und siegte.
Er dachte an seine drei Damen. Am besten gefiel ihm die schöne Ludmilla, die der gleichen Rasse angehörte wie er selbst. Leider war sie zuviel mit ihrer eigenen Schönheit und ihrem eigenen Vergnügen beschäftigt und hatte keine Lust, Eier auszubrüten. Er seufzte. Kein Wunder, dass der Bergische Kräher vom Aussterben bedroht war.
Ganz anders die fromme Helene.
Helene schickte ständig leise gackernd Gebete zum Himmel. Mit ihrem grauen Gefieder sah sie recht unscheinbar aus. Sie hielt sich oft in Ludwigs Nähe auf, so als wolle sie ihm schöne Augen machen. Er war sich sicher, dass er ihre Gebete erhören sollte, auch wenn sie diese zum Himmel schickte.
Die dritte im Bunde war von der gemütlichen Sorte mit einem dichten braunen Gefieder, das sie ständig aufplusterte, deshalb wurde sie dicke Berta genannt.
Für ihn war das ein wunderbares Leben zu viert, bis Wilhelm Busch zwei böse Buben namens Max und Moritz vorbeischickte und deren Opfer ausgerechnet die schöne Ludmilla wurde.
Danach mussten auch die fromme Helene und die dicke Berta dran glauben. Und Ludwig?
Der kam, sah und flüchtete.