Veröffentlicht: 06.02.2022. Rubrik: Persönliches
Mein Poesiealbum
Zu meinem elften Geburtstag bekam ich ein Poesiealbum. Ich besitze es noch heute und kenne viele Sprüche darin auswendig.
Damals, Anfang der 1960er, wurden – jedenfalls an unserem Mädchengymnasium – in der Regel sehr tugendhafte, edelmütige, fromme Verslein ins Poesiealbum geschrieben wie zum Beispiel: „Lerne alle Menschen lieben, ob sie arm sind oder reich …“, „Such das Göttliche in Dir zu finden, gib Dich ganz zum Guten in Dir her …“, „Rein wie das feinste Gold … soll Deine Seele sein“ oder natürlich Goethes „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“
Nur eine einzige Klassenkameradin tanzte aus der Reihe. Bärbel (Name geändert) war der Schrecken aller Lehrer, schwatzte und störte dauernd und kletterte einmal sogar auf dem Dach der Schule herum, wobei sie dummerweise von der Direktorin beobachtet wurde. Natürlich bewunderte ich Bärbel über alle Maßen. Und was schrieb sie in mein Album?
Gibt Dir das Leben mal ‘nen Puff,
so weine keine Träne,
lach Dir ‘nen Ast und setz Dich druff
und bommle mit de Beene.