Veröffentlicht: 27.08.2021. Rubrik: Unsortiert
DAS LEBEN OMEGA
Das Vatersohngespräch über die heutige Lage in meiner Wochengeschichte zu belauschen:
„Huch“ sage ich zu meinem Sohn, „morgen beginnt das Leben B für Dich! Schule ist angesagt. Freust Du dich?“
„Wie soll ich mich freuen?“, entgegnete er. „Noch mehr Vitamin B schlucken, meinst Du das? Ich denke ihr füttert mich bereits genug mit all den künstlichen Gesundmachern!“
„Nein, mit Leben B, das ist so ein Allgemeinplatz, meine ich das Routine Leben!“
„Denkst Du, dass das Leben nach all den Lockdowns und Quarantäne Tagen, sowie all den Q’s, die sich frei in unserer Gesellschaft bewegen, sei Routine? Da muss ich Dir widersprechen. Nichts wird Normalo! Alles anders. Alles in Bewegung. Wohin das führen wird weiss niemand, nicht einmal Du, der so oft den Allwissenden vorgibst! Typisch Vaterrolle! Abgeguckt vom Opa. Abgekupfert. Denke ich.“
„Werde jetzt nur nicht ausfällig Bürschchen“, dabei schlucke ich drei Mal leer, denn Allwissend habe ich mich nie gefühlt. Viel mehr bin ich der Unsicher-Papst. Klar versuche ich das zu überspielen, zu verstecken, besonders vor meinem Sohn. Aber auch im Beruf. Wo käme ich sonst hin. Auf die Strasse! Als Wohnungs- und Familienloser. Ein Teil der Unsicherheit ist einfach zu überspielen. Das verlangt der Lebens-Plot. Ob man will oder nicht. Egal. Doch, wie soll ich als Zauderer meinen Sohn in die Schranken weisen? Jedes Mal, wenn ich meine Meinung kundtue, muss er widersprechen. Widerspruch-Kaiser ist er. Echt. Auf sein Alter zurück zu führen? Pubertät? Stammt dieses Wort vom englischen Pub ab? Betrunken gemacht an den eigenen sprudelnden jungen Worten. Muss so sein. Keine andere Erklärung ist logischer.
„Nimm dich in acht“, fahre ich fort. Denke gleich was das in Acht nehmen mit der Zahl acht gemeinsam hat. Wurzel? Wurzel aus 8? Sehe meinen Mathelehrer die Augen ob meiner Antwort rollen. Mich einen üblen Schlingel nennend. Denn ich zeichnete damals vor so vielen Jahren einfach Wurzeln unter die Zahl, nahm aus der Botanisierbüchse der Vorstunde in Biologie, etwas Erde, streute diese über die Kreide, die ich unter keinen Umständen fressen wollte. Die Lacher hatte ich auf meiner Seite und ein ungenügend in Mathematik für das mein Vater mich nicht nur rügte, sondern den Ausgang für 8 volle Wochen, er glaubte an die Symbolik von Strafen, sperrte.
Ja, die Worte NIMM DICH IN ACHT, legten sich wie eine schwarze Gewitterwolke über unser Gespräch, erhielten augenblicklich einen Gelbstich, was möglichen Worte-Hagel ankündigte. Ich tat einen tiefen Atemzug, wies meinen Sohn auf die mutierenden Coronaviren hin, und dass diese viel ansteckender seien als die Urform. Besonders auch junge Menschen ins gesundheitliche Elend stossen könnten. Delta insbesondere.
„Du bist wirklich von gestern.“ Fügte acht Ausrufezeichen, die er mit Augenblitzen aussprach, an seine Worte ‚du bist wirklich von gestern‘.
„Wer spricht denn von Delta? Veraltet.“ fuhr er mit der Betonung auf ALT fort, sodass mir beim Erfassen des Zusammenhangs ein Stich in mein Vaterherz drang.
„Delta? Nicht einmal von Epsilon, Zeta, Eta, Theta, Jota, Kappa, Lambda, My, Ny, Xi, Omikron, Pi, Rho, Sigma, Tau, Ypsilon, Phi, Chi, Psi, sondern von Omega redet die Wissenschaft jetzt! Also Papa, nimm dich in Acht. Hoch acht ergibt 16‘777‘216!“
Darauf folgten erneut die jetzt unzähligen Augen-Ausrufezeichen meines Sohns. Und er endete mit den über dem Sprachgrill aufgespiessten Worten:
„Das Leben wird nicht einfacher! Sie dich vor Papa …“
Und heute als kleiner Bonus ein DREISATZROMAN aus meiner Feder:
V E R S T A N D
"Verstehst du das Leben" befragt mich das Unkrautblatt, als ich es betrachte und soeben will entfernen sachte.
"Ja" sage ich im verschwörerischen Flüsterton zum Blatt: "Das Sein soll sein nur Sein!“
"Dann bitte" entgegnet sanft das Unkrautblatt, "lass mich einfach sein..."
Herzlichst Ihr François Loeb
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