Veröffentlicht: 24.09.2020. Rubrik: Fantastisches
Realität - Thesen 12.1
„Also, sie ist blond! Sie ist ein wenig kleiner als ich und ihre Augen sind blau. Sie hat sehr schmale Finger und feine Gesichtszüge. Eine kleine Nase.
Ihre Haut hat eine Blässe, die ist so hell, elfengleich. Und sie scheint traurig oder melancholisch. Ich…ich weiß nicht. Ihr Körper ist perfekt. Ich meine, ich glaube er ist perfekt. Ich… Herrgott…“
„Ja?“
„Du weißt schon!“
„Nein, weiß ich nicht. Erklär´s mir.“
„Verdammt! Ich habe das Gefühl, sie bis ins Kleinste zu kennen. Ihr Aussehen, ihre Bewegungen und ihre Berührungen, selbst ihren Geruch. Ich kenne sie, irgendwo-her!“
„Ja, scheinbar. Kennst Du auch ihre Blutgruppe? Ich kenne meine Schwester nicht so gut, wie du diesen Succubus. Wann ging das los?“
„Oh, etwa vor einem halben Jahr.“
„Einfach so? Kein Anlass? Hm.“
Er greift wieder zu seinen Zigaretten.
„Man, du weißt schon das du viel rauchst?“
„Ja, bringt einen um. Vor einem halben Jahr, sagst du? Ich weiß nicht. So wie du sie beschreibst ist sie das Gegenteil von Aurora. Keinen Hinweis auf die Umgebung, keine dominierende Farbe?“
„Nein, warte. Vielleicht Gelb. Hatte so ein Deja-vu.“
„OK, immerhin etwas. Deja-vu sagst du? Das könnte ein Schlüssel sein.“
„Na ja, vor einigen Wochen wollten wir zu der Party und Aurora hatte dies gelbe Sommerkleid angezogen. Ich hätte schwören können ich kenne das Kleid, die Farbe. Ich hatte ein ähnliches Gefühl wie bei meinem Geist. Aber nichts Greifbares.“
„Du irrst dich. Das ist schon mal eine ganze Menge. Das Interessante daran ist das Deja-vu. Also, welche Möglichkeiten gibt es? Vielleicht bist du ihr in einem anderen Leben schon mal begegnet? Voraussetzung ist natürlich du glaubst an so etwas wie Reinkarnation.“
Ich muss grinsen.
„Nein, eigentlich nicht. Es ist keine Voraussetzung, dass ich daran glaube. Wenn es so etwas gibt, gibt es das auch, wenn ich nicht daran glaube.“
Hendrik grinst zurück.
„Touché! Hast natürlich recht.“
„Gibt es überhaupt etwas das nur dadurch real wird, dass man daran glaubt?“
„Wenn du schon danach fragst, ja gibt es. Dion Fortune hatte in ihrem Buch Die mystische Kabbala Andeutungen darüber gemacht. Wenn ich mich richtig erinnere, ging es darum, durch geistige Arbeit Eindrücke in dem Weltbild zu hinterlassen. Man platziert eine Idee oder Eindruck in dem Gesamtwissen der Menschheit. Dion Fortune war Priesterin in dem Orden Hermetic Order of the Golden Dawn.”
“.. und die haben was gemacht?“
„Ich erinnere mich an einem Abschnitt aus dem Buch, in dem der Schüler sich eine Wüste vorstellen sollte und mit den Gedanken in der Wüste eine Rose aus dem Sand wachsen lassen sollte. Immer wieder. Irgendwann wurde jemand anderes gebeten sich eine Wüste vorzustellen und den ersten Gedanken, der ihn dabei durch den Kopf ging auszusprechen. Viele dachten dabei an die Rose. Ohne zu wissen warum.“
„Wow, auf die Idee muss man erstmal kommen.“
„Ja nicht wahr, interessant. Zurück zu deinem Succubus.“
„Kannst du bitte aufhören sie einen Succubus zu nennen?“
Er schaut mich an. Nimmt einen Zug von der Zigarette und bläst den Rauch seitlich aus.
„Klar, also deinen Geist?“
Ich reagiere nicht, was er als Zustimmung wertet.
„Da fällt mir noch eine Erklärung ein. Das Ganze nennt sich Mandela Effekt. Man glaubt sich an etwas zu erinnern, das sich anders zugetragen hat. Beispiel; kennst du das Monopoly Männchen?“
„Klar, habe ich oft gespielt.“
„Ich meine die stilisierte Figur, die wie ein Bankier aussieht?“
„Ach so, ja auch das kenn ich.“
„Ok, beschreibe mir wie das aussieht.“
„Wie? Was soll ich beschreiben? Hast du doch schon gesagt, sieht aus wie ein Bankier. Mit einem Geldsack und so.“
„Geht es etwas genauer? Was hat er auf dem Kopf, das Gesicht was hat es in den Händen?“
„Puh. Also es hat einen Zylinder auf, einen Spazierstock und einen Geldsack in den Händen, trägt einen Frack, hat einen Schnurrbart und ein Monokel.“
Er grinst und drückt die Zigarette aus.
„Falsch! Kein Monokel. Aber schon nicht schlecht. Ein sehr hoher Prozentsatz der Bevölkerung erinnert sich an ein Monokel bei dem Monopoly Männchen. Hat es aber nie gegeben. Nicht in der Werbung und auch auf keinem Spiel.“
„Ich verstehe nicht wie mich das weiterbringen soll?“
„Okay, anderes Beispiel: Kennst du die Skulptur Der Denker?
„Du meinst den hockenden Nackedei, mit der Faust unter dem Kinn?“
„Das klappt ja prima! Genau der. Also, es gibt Bilder von Personen, die vor oder neben der Skulptur die Pose nachahmen. Der Clou; sie haben die Faust an der Stirn!“
„Ich versteh immer noch nicht! Was soll mir das sagen?“
„Wenn ich vor der Skulptur stehe und die Pose nachahme, wie groß ist die Chance das ich das falsch mache?“
„Klein?“
„Nehmen wir mal an, sie haben sich nicht vertan. Was ist also passiert?“
„Es hat sich etwas verändert?“
„Genau! Es hat sich etwas verändert. Die Realität! Die Personen erinnern sich an das Original. Die Faust an der Stirn! Aber die Realität hat die Faust an das Kinn wandern lassen. Warum auch immer. Wichtig ist die Erinnerung der Personen, die sich ablichten ließen. Für sie ist die Faust immer noch an der Stirn. Zu mindestens zum Zeitpunkt des Fotos.“
„Was meinst du, bedeutet das für mich?“
„Was, wenn du deinen Geist aus einer anderen Realität kennst? Eine die sich nicht manifestiert hat?“
Ich überlege wie diese Möglichkeit in meine Vorstellung passen würde. Das war so abgehoben, dass es meine Vorstellung sprengte.
„Ich weiß nicht, ganz schön weit hergeholt!“
„Hey, wir spielen doch nur rum. Kann auch eine ganz einfache Erklärung sein.“
„Ja, welche?“
Er holt eine weitere Zigarette aus seiner Jackentasche zündet sie an und grinst.
„Na, du kommst aus einem Paralleluniversum!“
„Blödmann!“
to be continued