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geschrieben 2024 von Florian Link (Hanswurst).
Veröffentlicht: 16.02.2025. Rubrik: Lustiges


Wurst- und Durstgeschichten - Der Hanswurst und das Stadtfest

Also, ich sag’s mal so: Ich hätte das jetzt anders gemacht. Ganz anders. Zum Beispiel gar nicht. Aber weil der Autor das so geschrieben hat, stehe ich hier, mitten im größten Durcheinander, das ich seit langem gesehen habe. Und ich hab schon einiges gesehen. Der Hape ist weg. Seit Wochen. Hat sich nicht blicken lassen im Imbiss ums Eck, nicht in der Tristessa, nicht mal beim Schorsch, der sonst alle Gerüchte kennt, noch bevor sie sich überhaupt ereignen.

SatirepatzerSatirepatzerEs ist ja nicht so, als hätte der Hape ein geregeltes Leben geführt. Aber ein bisschen Struktur hatte der Mann schon: Morgens lange schlafen, dann Kaffee und Kippe, irgendwann gegen Nachmittag bei mir aufschlagen, dumme Fragen stellen, dann zusammen ein, zwei Bier trinken – oder drei – und abends philosophieren, was alles falsch läuft auf der Welt. Dass er jetzt einfach spurlos verschwunden ist, das macht mich stutzig. Die Antonia, die ihn eigentlich ganz gut kennt, meinte nur: „Für mich ist der Kerl gestorben.“ Was wenig hilfreich ist. Vor allem, weil sie das mit einer Selbstverständlichkeit gesagt hat, als ob der Hape ein altes Paar Schuhe wäre, das man irgendwann in einer dunklen Kneipe stehen gelassen hat.

Also, lange Rede, kurzer Sinn: Ich muss den suchen. Und weil mir kein besserer Plan einfällt, gehe ich dahin, wo Menschen hingehen, wenn sie sich für eine Weile verlieren wollen. In diesem Fall: auf das Stadtfest, das seit zwei Wochen den halben Stadtpark lahmlegt und in dem es eine Biermeile gibt, die sich über mehrere Straßenzüge erstreckt. Perfekter Ort, um sich zu verlieren. Oder gefunden zu werden. Oder einfach einen suffbedingten Blackout zu erleben.

*

Ich schiebe mein geliebtes altes und zerbeultes Damenrad durch die Menschenmassen, weil ich klüger bin als die, die hier mit Vollgas durchradeln und dann fluchend in einen Stand für kunsthandwerkliche Töpferwaren krachen. Überall riecht es nach Fett, Zucker und zu viel Parfüm. Die Menge ist eine träge Welle aus schwankenden Existenzen, die sich zwischen Fressbuden, Karussells und improvisierten Bühnen hin- und herschieben lassen. Es gibt Stände mit veganem Tofu-Schaschlik direkt neben Ständen mit handgemachter Wildschweinbratwurst, ein Stand verkauft Glitzerhüte, der nächste Steampunk-Brillen, und irgendwo dazwischen versucht ein Marktschreier, jemandem ein Pfund Räucherschinken anzudrehen.

Mein Plan ist einfach: Bier holen, einmal den Festplatz umrunden und dabei nach dem Hape Ausschau halten. Ich bestelle mir ein Pils an einer improvisierten Theke, wo der Zapfer so aussieht, als hätte er gestern noch woanders gearbeitet, aber keine Ahnung mehr, wo. „Zehn Minuten“, sagt er und nickt bedeutungsvoll, während das Bier mit der Geschwindigkeit eines herbstlichen Blätterfalls ins Glas tröpfelt. Ich nehme es dann trotzdem. Der Durst ist größer als mein Misstrauen.
Während ich das Bier leere, fällt mir auf, dass mich jemand ansieht. Ich drehe mich um. Die Schankkellnerin grinst mich an. So ein Grinsen, bei dem man sich fragt: Ist das jetzt professionell, nett gemeint, oder hab ich mich gerade wieder für eine peinliche Aktion qualifiziert, an die ich mich morgen nur noch mit viel Fremdscham erinnern werde?

Ich will gerade etwas sagen – wahrscheinlich irgendwas Dummes, weil ich dazu neige, wenn mich jemand nett anlächelt –, da sehe ich aus dem Augenwinkel jemanden durch die Menge torkeln. Ein Mann mit wackelnden Beinen, einer Jacke, die mal eine andere Farbe hatte als jetzt, und einem Blick, der sagt: „Ich habe Dinge gesehen.“ Es ist der Hape.

*

Ich rufe seinen Namen, aber die Musik dröhnt zu laut. Also schiebe ich mich durch die Menge, remple Leute an, bekomme beleidigte Blicke, ein paar Schimpfwörter, einen Ellbogen in die Rippen. Aber egal, da ist er, mein alter Kumpel, der sich gerade an einem Dönerstand festhält, als wäre es die Reling eines sinkenden Schiffs.

„Hape, du Wahnsinniger! Wo zum Teufel warst du?!“

Er dreht sich langsam zu mir um, als hätte ich ihn gerade aus einem tiefen Schlaf geweckt. Dann erkennt er mich, und sein Gesicht erhellt sich wie eine Werbetafel bei Nacht.

„Hanswurst! Endlich! Ich habe hier festgesessen! Wochenlang! Ich konnte nicht raus!“

Ich sehe ihn an. „Wie jetzt? Seit Wochen? Du spinnst doch.“
„Nein, echt jetzt! Ich bin hier reingekommen, und dann... na ja, dann war das hier halt plötzlich mein Leben.“

Ich seufze. „Das ist jetzt aber auch ein bisschen dramatisch, oder?“

„Hanswurst, du verstehst nicht! Es gibt hier überall Weizenfladen mit Pampe! Ich dachte erst, das sei geil, aber dann konnte ich nichts anderes mehr essen. Sie sind überall. Und das Schlimmste: Je mehr ich esse, desto mehr Durst kriege ich. Also trinke ich Bier. Und dann... verliere ich wieder den Ausgang.“

Ich sehe mich um. „Das hier ist ein Stadtfest, Hape. Kein Labyrinth. Du hättest einfach gehen können.“

Er schüttelt den Kopf. „Das sagst du so. Aber immer, wenn ich loslaufen wollte, kam irgendwas. Ein Bier, ein Schnapsstand, eine neue Sorte Weizenfladen. Ich war verloren, Hanswurst. Gefangen in einem Teufelskreis aus Teig, Bier und Orientierungslosigkeit.“

Ich schüttele den Kopf. „Und jetzt?“

„Jetzt trinken wir erstmal ein Bier.“

Ich zögere. Ich könnte jetzt den Vernünftigen spielen, ihm eine Gardinenpredigt halten, ihn von hier fortziehen und nach Hause bringen. Aber dann fällt mir ein: Ich bin der Hanswurst. Ich bin nicht der Vernünftige. Ist nicht mein Job. Nie.

*

Wir bestellen zwei große Biere. Die Schankkellnerin lächelt mich an. Ich überlege, ob ich fragen soll, was genau der Hape hier die letzten Wochen richtig gemacht hat. Aber dann lasse ich es. Manche Fragen will man gar nicht beantwortet haben.

Das erste Bier geht schnell. Das zweite auch. Irgendwann habe ich auch Hunger. Weizenfladen mit Pampe? Warum nicht. Schmeckt erstaunlich gut nach dem dritten Bier. Oder vierten. Und dann? Dann ist da dieser brasilianische Stand. Caipis. Erstaunlich süffig. Die Lichter blinken. Der Boden schwankt. Und ich schwanke mit.

Irgendwann fällt mir auf, dass ich mein Handy nicht mehr finde. Und den Ausgang auch nicht. Ich frage einen Typen mit einem beleuchteten Hut, wo es hier rausgeht, aber er grinst nur und zuckt mit den Schultern. Ich versuche es mit meiner Orientierung an den Bierständen. Hilft nicht. Ich treffe den Hape, der sich gerade wieder einen Weizenfladen holt. „Und?“ fragt er.

Ich schaue mich um. Blicke auf mein Bier, dann auf den Weizenfladen, dann auf den tanzenden Haufen aus Glitzerhüten, Steampunk-Brillen und zufälligen Begegnungen.

„Ich glaube, ich bleib noch ein bisschen.“

„Gute Entscheidung“, sagt der Hape.

Und dann verliert sich alles.

Lichter. Stimmen. Gelächter.

ENDE

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Rautus Norvegicus am 16.02.2025:

Klasse geschrieben. Aber wann und warum hat sich alles verloren? War es nach dem siebten Bier?




geschrieben von Hanswurst am 20.02.2025:

na ja... ist ja auch ein bisschen surreal... ;-)

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